Benedikt Dolls Trainingstagebuch

Es ist Hochsommer, und die Biathleten arbeiten in ihren Trainingslagern mit Hochdruck an der Form. Viele Teams sind dafür nach Italien gefahren. So auch die deutschen Männer, die auf eine Woche Höhentraining, lange Anstiege und bestes italienisches Essen in Bormio zurückblicken können. 

Der IBU Sprintweltmeister 2017 Benedikt Doll gewährt uns einen Einblick in den Trainingsalltag an diesem atemberaubend schönen Ort. „Wir sind fast jedes Jahr hier. Ich glaube, wir kommen wegen der langen Anstiege und der Berge in der Umgebung hierher. Das Schießen steht bei diesem Trainingslager nicht so im Fokus. Bormio eignet sich bestens für Skiroller- und Mountainbike-Training an langen Anstiegen. Zuhause haben wir manchmal Probleme, wenn wir auf den Straßen Skiroller fahren, in Italien nicht.“

Ankunftstag

Doll, der aus seinem Heimatort Hinterzarten im Schwarzwald angereist ist, klagt: „Fünf Stunden Autofahrt sind hart für den Körper, jetzt muss ich mich definitiv erst mal dehnen. Zum Abendessen gibt es Nudeln, die mag ich gern, und dann bespricht Trainer Mark Kirchner den Trainingsplan für die Woche mit uns.“ Trotz sorgfältiger Planung muss das Team manchmal flexibel sein. „Der Sommer-Schießstand mit der hügeligen Skiroller-Strecke im Wald ist gesperrt, weil es nach viel Regen einen Erdrutsch gegeben hat, also nutzen wir die kurze flache Runde im Winter-Stadion.“

Eingewöhnungstag

Auch wenn Bormio und das umliegende Tal mit 1220 m Höhe nicht besonders hoch liegen, geht es drumherum überall steil hoch, vom berühmten Stilfser Joch auf 2757 Metern bis zum Gaviapass auf 2621 Metern, also beginnt die anspruchsvolle Woche für Doll und Co mit einem Eingewöhnungstag und „einem langen langsamen Training“. Der erste Tag beginnt normalerweise mit „Frühstück um 7:15 Uhr, um 08:30 Uhr Start der Bergtour zu Fuß mit Stöckern. Bei dem 1300-Meter-Anstieg hatten wir einen tollen Ausblick auf die Gegend, aber es war bewölkt und windig, also zurück zum Hotel. Nach 2:50 h wieder im Hotel, Abkühlen und Dehnen. Um 12:00 Uhr Pasta zum Mittagessen – perfekt! Dann zurück aufs Zimmer um mich kurz zu erholen und das Handy zu checken, aber nicht zu lang: Ich bin müde und will meine täglichen 20 Minuten Mittagsschlaf unterbringen.“

Erholung und gesund bleiben

Nach seinem Mittagsschlaf geht Doll für 45 Minuten Erholung zum Physiotherapeuten. „Ich gehe immer in der Mittagspause, weil die anderen abends gehen wollen, also gehe ich mittags. Es macht keinen Unterschied, ob ich nachmittags oder abends gehe.“ Der Team-Physiotherapeut ist in der Trainingssaison genauso wichtig wie in der Wettkampfsaison. „Seine Unterstützung ist wirklich gut. Ich glaube, der Erholungsaspekt ist das Wichtigste an der Physio, aber der zweite Teil ist, dass man Problemen mit Muskeln und Verletzungen vorbeugt, die einen vom Training abhalten würden. Man muss gesund bleiben, damit man trainieren kann.“

Kaffee und Kuchen

Dolls zweites tägliches Ritual schließt sich an die Physio an. „Kaffee und Kuchen, weil die Nachmittagseinheit lang wird. Nach einem langen Morgentraining kann man nicht so viele Kalorien essen, dass man die Energiespeicher wieder voll hat. Deswegen braucht man ein zweites Mittagessen oder Kaffee und Kuchen für die zusätzliche Energie. Wir machen das auch, um als Team Zeit zusammen zu verbringen, die Sonne zu genießen und uns zu entspannen. Den Kaffee brauche ich, damit ich für die nächste Einheit in Schwung komme.“ 

Die Mittagspause ist schnell vorbei, denn „um drei machen wir uns auf den Weg zum Skiroller-Training mit Schießen, 40 km mit verschiedenen Schießübungen. Es hat ein bisschen geregnet, aber überwiegend war es trocken. Ich habe gut geschossen, habe versucht, mich auf meinen Schießrhythmus zu konzentrieren. Dann ging es wieder ins Hotel, wo wir die Zusammenfassung der Tour-de-France-Etappe geschaut haben. Sie sind zweimal den Mont Ventoux hochgefahren ... Die Wahnsinnigen!“

Italienische Küche

Man sagt, das Leben eines Spitzensportlers sei „trainieren, essen, schlafen, von vorn“, und ein gutes Essen kann der Höhepunkt des Tages sein. Doll ist für seine Expertise am Herd bekannt, und der nächste Tagebucheintrag sagt schon alles: „Abendessen und schon wieder ist das Essen unglaublich gut.“ Zum Essen in Italien sagt er: „Es ist ganz anders. Ich esse nicht gern so viel Fleisch. Die italienische Küche ermöglicht es einem, auch als Vegetarier sehr gut zu leben. Ich bin kein Vegetarier, aber esse nur vielleicht zweimal die Woche Fleisch und ein- oder zweimal Fisch, aber mehr nicht. Diese Küche macht hervorragende Pasta. Die ist ganz anders, und der Geschmack ... hervorragende Aromen.“

Der Tag endet mit ein bisschen Freizeit, und „meine Waffe muss gereinigt werden, und ich muss mich dehnen, und wie immer im Trainingslager ist der Tag viel zu schnell vorbei.“ Licht aus.

Perfekte Trainingsbedingungen

Der Eingewöhnungstag ist vorbei, und an Tag zwei geht es richtig zur Sache. Die Wettervorhersage für Bormio ist kühl (um 17 °C), aber auf dem Weg zum Frühstück um sieben Uhr zeigt sich: „Überraschung, die Sonne scheint, dabei sollte es regnen. Das sind perfekte Trainingsbedingungen, nicht zu warm. Der Plan für heute: Ein kleines Wettschießen mit drei Teams, Teil zwei: Skiroller mit 8-mal schnellem Einlaufen am Schießstand und Teil drei: Sprint den Anstieg hoch mit Stöckern.“ Der Vortag fordert seinen Tribut. „Die Beine tun von der Bergtour gestern weh, aber nach 30 Minuten lässt der Schmerz nach. Schießen und Laufen ist schwierig, deutlich mehr Instabilität in den Beinen als bei Skirollern.“

Und dann der Regen...

Die Mittagspause bleibt gleich: Essen, Mittagsschlaf, „kurzer Besuch beim Physio bis 14:25 Uhr, ich muss mich beeilen, um 14:30 Uhr habe ich einen Videocall mit meinem Management und einem Sponsor. Um 15:00 Uhr ist Kaffeezeit, ich habe Glück, weil ich ein Stück Kuchen vom Frühstück mitgenommen habe. Beim Kaffeetrinken fängt es an zu regnen wie verrückt. Sieht so aus als würde es eine nasse Trainingseinheit heute Nachmittag. 16:45 Uhr und ich habe Glück, weil es draußen wieder trocken ist. Ich bereite mich auf die Nachmittagseinheit vor: Fußball und Stabilisierungstraining ... der Fußballplatz steht unter Wasser, das wird ein lustiges Spiel. Es fängt wieder an zu regnen, aber heute ist das kein Problem, das hat das Spiel ganz schön lustig gemacht! Duschen, Abendessen und dann schauen wir wieder die Highlights von der Tour de France.

Tempo, Tempo, Tempo

Tag drei und die harte Arbeit macht sich bei Doll bemerkbar. „Die Beine tun noch von der Bergtour weh, aber es wird besser.“ Die Mannschaft fährt wieder zur flachen Strecke im Stadion. „Eigentlich wollten wir heute Mountainbike fahren und Schießen (leider sind die Trails und der Schießstand im Wald immer noch gesperrt), aber die flache Skirollerstrecke ist perfekt für ein schnelles Skiroller-Training mit einer Zielgeschwindigkeit von 7 m/s. Vorher aber noch Anschießen und ein kurzer Massenstart, viermal Null und der Sieg. Auch wenn es nur ein Trainingsrennen ist, fühlt der Sieg sich gut an. Danach erst vier Runden mit Philipp Horn und dann vier Runden mit Philipp Nawrath. Die zwei haben viel Power auf flacher Strecke, da komme ich kaum mit ... Ich habe die langsam kontrahierenden Muskeln von meinem Vater geerbt, der Langstreckenläufer ist. Als ich jung war, habe ich viel Ausdauertraining gemacht und nicht so viel auf Tempo trainiert. In den letzten Jahren war das meine größte Schwäche. In meinem Training liegt ein großer Schwerpunkt darauf schneller zu werden, vor allem auf kurzen Intervallen.“

Peking 2022: Schwerpunkt Schießen

Neben der Arbeit am Tempo gibt es für Doll, der bei den Winterspielen 2018 Bronze in der Verfolgung gewann, noch einen zweiten Schwerpunkt in der Vorbereitung auf Peking 2022: „Der größte Schwerpunkt ist mein Schießen. Im letzten Winter hatten wir zum Teil fantastische Schießbedingungen und weniger Wind als je zuvor. In den Vorjahren hatte es immer zwei oder drei Wochenenden mit nicht so guten Bedingungen gegeben. In der letzten Saison brauchte man eine Trefferquote von über 85, die ich nicht knacken konnte (81 %). Ich habe da viel Zeit investiert. Das ist meine größte Herausforderung.“

Die morgendliche Tempo-/Schießeinheit endet wie üblich mit „kurzem Auslaufen, dann zurück ins Hotel und der bekannten Mittagspause (essen, schlafen, Physio, Kaffee und Kuchen) und der Streckenplanung für die Erholungseinheit auf dem Mountainbike nachmittags.“ Die Einheit geht hart los, mit „etwa 30 Minuten steil bergauf, aber dann einem flachen Trail mit toller Aussicht, das ist gut für die Seele. Zurück im Hotel gibt es wieder hervorragendes Abendessen. Wir überzeugen Mark (Kirchner), dass wir morgen wieder Mountainbiken, aber auf einer längeren Strecke mit Single Trails.“

Mannschaftsabend

Ein weiterer Tag ist abgehakt, und nach dem Abendessen ist es Zeit, den Biathlon Biathlon sein zu lassen und etwas mit der Mannschaft zu machen. „Es ist wichtig, als Mannschaft abends Zeit zusammen zu verbringen und nicht immer auf sein Zimmer zu gehen. Das machen wir nicht jeden Abend, aber an manchen Abenden ist es einfach wichtig ... Heute Abend ist das EM-Finale in London. Italien gegen England. Wir schauen zusammen die Fußball-EM in London. Der Hotelchef lässt uns nur eine Option: Wir müssen die Italiener anfeuern! Und ich finde, Italien hat den Sieg verdient.“

Drei weitere Trainingstage geschafft für Benedikt Doll und die deutschen Männer auf dem Weg zur BMW IBU Weltcupsaison 2021/22 und Peking 2022.

Fotos: Benedikt Doll, Jerry Kokesh, Christian Manzoni

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