Große Erwartungen bei Wierer, Vittozzi, Hofer & Co.

Nach dem erfolgreichsten Winter in der Geschichte des italienischen Biathlon arbeitet das Team um Dorothea Wierer, Lisa Vittozzi, Lukas Hofer und Dominik Windisch konzentriert auf die Weltmeisterschaft 2020 in Antholz hin. Trotz des wachsenden Erwartungsdrucks seitens der Fans und der Presse versuchen die Italiener eine Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu finden, um ausgeruht und in Bestform in die kommende Saison zu starten. Das Ziel ist klar: Die Erfolge des vorherigen Winters zu wiederholen oder gar zu toppen.

„Ich hatte große Motivationsprobleme zu Beginn der neuen Trainingssaison“, gibt Dorothea an einem verregneten Tag in Martell zu, wo die italienischen Sommerbiathlon-Meisterschaften bei fast winterlichen Bedingungen ausgetragen wurden.

„Ich war kaum zu Hause, immer irgendwo unterwegs. Ich habe gerade einmal 5 Tage in meinem eigenen Bett geschlafen – weil ich krank war! Anfang Mai habe ich mir gesagt: So geht es nicht weiter. Aber dann war ich mit den anderen im ersten Trainingslager und das hat mir geholfen. Mit ihnen zusammen ging es mir besser. Es ist nicht einfach, Training und alles andere unter einen Hut zu bekommen, aber ich gebe mein Bestes, um für den Winter bereit zu sein.“

Andrea Zattoni, der das Elite-Team seit der vergangenen Saison trainiert, war ebenfalls überrascht, welche Stärke die erste italienische Gewinnerin des Gesamtweltcups an den Tag legte: Doro war in diesen Monaten überragend, weil sie Zeit für beides hatte – für die verdienten Ehrungen, aber auch für das Training. Nach all dem ist sie jetzt zwar ziemlich erschöpft, aber in wenigen Tagen kann sie endlich in Urlaub fahren, bevor wir anschließend am Feinschliff für die kommende wichtige Saison arbeiten.“

Gemeinsam stark

Lukas Hofer beendete dieses Frühschnee-Wochenende mit zwei Goldmedaillen und viel positiver Energie. Obwohl seine Beine schmerzen, ist er überzeugt, dass das harte Sommertraining bereits Früchte zeigt. Er glaubt auch, dass die Mannschaft gut mit dem zusätzlichen Druck zurechtkommt, weil alle an einem Strang ziehen.

„Die Atmosphäre im Team hat sich seit dem letzten Winter nicht verändert. Das ist das Wichtigste, denn es hilft uns dabei, eine gewisse Normalität zu wahren, selbst nachdem wir nach den großartigen Leistungen von Doro und Lisa im letzten Winter und den Erfolgen bei der Weltmeisterschaft plötzlich im Rampenlicht standen. Vor allem Doro… Keine Ahnung, wie sie das alles bewältigt hat. Nach der Saison war sie keine zwei Tage am selben Ort. Ich konnte sehen, wie ihre Batterien sich leerten. Aber als sie ins Trainingslager kam, war alles wieder okay. Es ist wichtig, sie hier zu haben. Das gesamte Team wird immer besser – nicht nur wir, sondern auch die Nachwuchsathleten, die gerade aufgestiegen sind. Das ist das Wichtigste.“

Zattoni ist mit der bisherigen Arbeit zufrieden und zeigt das auch gegenüber seinen Athleten: Für Doro und Lisa muss gelten: Letzte Saison ist nichts passiert. Jetzt steuern wir auf eine neue Saison zu und fangen wieder bei Null an. In den vergangenen Wochen haben wir einige High-Itensity-Einheiten absolviert und ich bin sehr zufrieden mit den Leistungen meiner Athleten. Lisa hat sich vor allem im Trainingslager in Forni Avoltri sehr stark präsentiert.“

Antholz 2020: (K)Eine große Sache

„Ich denke, Antholz wird etwas Besonderes“, erklärt Wierer, „Natürlich werden wir unter Druck stehen. Wir wollen auf unserer Heimstrecke alle Bestleistungen bringen. Aber am wichtigsten ist es, dass wir gesund, motiviert und konzentriert zur WM fahren und uns nicht ablenken lassen. Dann werden wir es genießen.“

Für Wierer ist mit ihrem ersten Verfolgungssieg auf heimischem Boden in der vergangenen Saison ein Traum in Erfüllung gegangen. Jetzt weiß sie, dass sie auch zu Hause gewinnen kann, obwohl sie die ganzen Ereignisse noch immer verarbeiten muss.

 „Der Verfolgungssieg war cool… sehr cool“, meint sie und fängt an zu lachen, „Der Weltcup ist noch stressiger als eine WM, weil man nur 3 Tage Zeit hat und jeder etwas von dir will. Antholz steht immer in der dritten Wettkampfwoche auf dem Plan und man ist ziemlich müde. Dieser Sieg war also etwas ganz Besonderes. Als ich die Ziellinie überquerte, konnte ich es gar nicht begreifen… Ich kann es immer noch nicht!“

Lisa Vittozzi war Wierers ärgste Konkurrentin um den Sieg im Gesamtweltcup. Die 24-Jährige versucht, der Heim-WM nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken: „Natürlich sind die Weltmeisterschaften in Italien eine große Motivation, aber mir ist es wichtiger, den ganzen Winter über konstante Leistungen zu zeigen und nicht nur in dieser einen Woche in Antholz. Gleichzeitig will ich nicht so viel über den Gesamtweltcup nachdenken, wie in der letzten Saison: Ich habe zu viel von mir erwartet und wurde immer nervöser. Ansonsten bin ich immer ruhig vor Rennen. Diese Nervosität hat sich bei meinen Schießeinlagen bemerkbar gemacht.“

Ein guter Sommer

Nachdem die Verfolgung der Damen aufgrund des Schneefalls in Martell abgesagt werden musste, fährt Vittozzi jetzt zu den deutschen Sommerbiathlon-Meisterschaften. Und nach drei Siegen hat sie viel Selbstvertrauen im Gepäck: In Wiesbaden und Annecy gewann sie die Massenstarts und krönte sich dann zur Sprintsiegerin bei den italienischen Meisterschaften.

„Mein Sommer lief wirklich gut. Ich habe sehr hart gearbeitet, um mich in Bereichen zu verbessern, wo ich letzten Winter einige Schwächen hatte. Ich will dieselben Fehler nicht noch einmal begehen. Das war mein Hauptziel in diesem Sommer.“

Wierer findet, dass sie aufgrund des Rummels um ihre Person im Frühjahr etwas spät in Form gekommen ist. Trotzdem lieferte sie in den Testrennen der letzten Monate gute Ergebnisse ab und ließ sich von der Atmosphäre bei den Veranstaltungen mitreißen.

„Ich denke, es wäre toll, solche Veranstaltungen in Italien durchzuführen, aber es ist schwierig, jemanden zu finden, der so sehr vom Biathlonsport begeistert ist, dass er solche Rennen organisiert. Vielleicht werde ich das eines Tages selbst tun. Wir werden sehen!

Wir wissen alle, wie gern sie neue Projekte außerhalb der Sportwelt angeht. Vielleicht wird sie Martin Fourcade im Weltcup einmal beiseite nehmen und darüber ausfragen, wie er das spektakuläre Renn-Event in Annecy in diesem Sommer auf die Beine gestellt hat.

Photos: Harald Deubert, Petr Slavik and Giulio Gasparin (IBU)
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