Trainingslager: Frankreichs Männer gehen neue Wege

In den ersten Trainingscamps der neuen Saison geht es meist sehr familiär zu – die Teams kommen an wohlbekannten Orten mit vertrauten Gesichtern zusammen. Nicht so beim ersten Aufeinandertreffen der französischen Männermannschaft vergangene Woche: Der neue Chefcoach Simon Fourcade und Schießtrainer Jean-Pierre Amat läuteten die neue Saison erstmals am Col Bayard im Departement Hautes-Alpes im südöstlichen Zipfel Frankreichs ein..

Während Emilien Jacquelin und Antonin Guigonnat aufgrund einer lange geplanten Gravelbike-Tour durch Kroatien noch fehlten, hieß es für Quentin Fillon Maillet, Eric [rp1] Perrot, die Brüder Fabien und Emilien Claude sowie Oscar Lombardot fünf Tage lang Grundlagen schaffen und einander gut kennenlernen.

Fourcade setzt auf neue Methoden und Motivation

Der neue Cheftrainer Simon Fourcade erläuterte seinen Ansatz wie folgt: „Ich habe mit den Jungs über ihre Bedürfnisse gesprochen und wollte von ihnen wissen, was sie von meinem Plan halten. Für mich ist offener Austausch sehr wichtig, um gegenseitiges Verständnis zu schaffen. Wir müssen nicht bei allem einer Meinung sein, aber konstruktive Diskussionen sind der beste Weg, um Kompromisse zu finden und voranzukommen. Die Mannschaft hat eine interessante Mischung: Wir haben vier echte Leader und drei hoch talentierte, aufstrebende Nachwuchsathleten. Das bringt gleich mehrere Herausforderungen mit sich: Die erfahrenen Athleten müssen sich neu motivieren, Leistung bringen und mit den neuen Methoden zurechtkommen. Gleichzeitig sollen sie die Jüngeren dabei unterstützen, sich weiterzuentwickeln und an das Top-Niveau heranzukommen.“

Trainingscamp im Golfclub

Biathleten trainieren für gewöhnlich an vertrauten Orten mit etabliertem Schießstand und bekannten Routen für ihre Ausdauereinheiten. Frankreich ging in diesem Frühjahr jedoch neue Wege: Das Team traf sich in der Golfanlage Golf Gap Bayard, wurde im Clubhaus verpflegt und schlief mit Blick auf das 18. Loch. Auf den ungewöhnlichen Trainingsort angesprochen, sagte Amat: „Die Anlage ist perfekt. Die Athleten wollten einen Neustart und genau das bekommen sie dort geboten.“ In unmittelbarer Umgebung gab es ein großes Waldgebiet mit unzähligen Trails für die Laufeinheiten, kleine Landstraßen zum Rollskilaufen und Radfahren sowie jeden Tag neue Eindrücke und Herausforderungen. Der provisorische Schießstand bot eine weitere Besonderheit: Er wurde auf einem erstklassig gepflegten, in sattem Grün leuchtenden Fußballplatz neben der Driving Range eingerichtet – mit fünf Zielen, Matten und Zieltafeln fürs Anschießen.

Trumpfkarte Genauigkeit und Tempo

Jean-Pierre Amat, der 1996 olympisches Gold im Kleinkaliber-Dreistellungskampf gewann, setzte jeden Tag kurze, effektive Einheiten mit vielen lehrreichen Erkenntnissen aufs Programm. Jede Session, von den Einzelschuss-Übungen bis hin zu schnellen Fünferserien, verfolgte dabei einen bestimmten Zweck und soll die Schießleistung des Teams insgesamt verbessern. „Es geht nur um die Grundlagen. Mir wurde von unserem Biathlondirektor Stéphane Bouthiaux nahegelegt, dass wir Geschwindigkeit und Treffsicherheit am Schießstand verbessern müssen. Wir schießen hier ohne Laufen. Das heißt, der gesamte Fokus liegt auf dem Trefferbild und der Schießzeit. Das ist ein etwas anderer Ansatz. Einer meiner Schwerpunkte ist der erste Schuss. Wenn du im Wettkampf eine gute Position finden und die erste Patrone innerhalb von neun Sekunden abfeuern kannst, fallen dir die weiteren Schüsse leichter.“

Angepasstes Programm

Bei den Konditionseinheiten in der Frühphase der Vorbereitung rückt der Aufbau einer guten aeroben Basis in den Vordergrund. Deshalb standen lange Ausdauereinheiten auf dem Rad, mit Rollski oder in den Laufschuhen auf dem Programm. Der ungewöhnliche Trainingsort brachte auch einige kleine Pannen und Lacher mit sich. So stellte das Team bei einer geplanten 90-minütigen Rollski-Einheit mit Startpunkt X fest, dass es sich um eine Einbahnstraße handelt. So schlängelten sich die Athleten vorsichtig einen Kilometer zu einer größeren Hauptstraße hinauf, während Fourcade im Begleitwagen in den Ort zurückfahren und einen Umweg in Kauf nehmen musste. Fünf Minuten vor Ende der Einheit wurde aus dem glatten Asphalt plötzlich eine raue Schotterpiste, sodass an dieser Stelle vorzeitig Schluss war. Ironischerweise setzte unmittelbar darauf ein heftiger Wolkenbruch ein.

Hinauf zum Col Bayard

Am nächsten Tag sollte es zu einer dreistündigen Radtour gehen. Doch heftiger Regen und bedrohlich dunkle Wolken machten dem Ganzen abermals einen Strich durch die Rechnung. So wurde kurzerhand umgesattelt und die für den Folgetag geplante 2,5-stündige Trailrunning-Einheit zum 2.126 m hohen Col Bayard vorgezogen. In den Trainingscamps werden die Grundlagen für eine lange Saison geschaffen, doch dabei verläuft eben nicht immer alles nach Plan.

Die verschobene Radtour war eine gut dreistündige Frühlingsausfahrt mit einem überraschenden Abschluss: Sie endete an einem der zahlreichen rauschenden Flüsse der Region, wo das Team den Trainingstag mit einer adrenalinreichen Rafting-Tour beendete.

Begeisterung spürbar

In allen Einheiten der Trainingswoche waren Eifer und Begeisterung deutlich spürbar. Fourcade freute sich über die Energie in seiner Mannschaft: „Alle hätten gern auch schon zwei Wochen früher losgelegt. Das konnte ich bei unseren Gesprächen heraushören. Doch die letzte Saison [RP1] war sehr hart und lang, sodass alle ein bisschen mehr Erholung benötigten. Ich freue mich, mit welchem Eifer sie bei der Sache sind. Aber wir werden das Ganze langsam aufbauen. Einige Athleten wie Quentin werde ich etwas bremsen müssen. Er geht in jeder Trainingseinheit wie ein wahrer Leader voran. Er war ganz oben und will dort auch wieder hin.“

Amat fügte hinzu: „Die Jungs stellen viele Fragen und daraus entwickeln sich gute Diskussionen. Alle sind bis in die Haarspitzen motiviert.“

Fillon Maillet ist bereit

Ein sonnengebräunter und gut gelaunter Fillon Maillet, der nach einer eher enttäuschenden Vorsaison seine Akkus im Karibik-Urlaub wieder aufladen konnte, sagte: „Ich hatte mir nach dem Weltcup-Gesamtsieg und Olympiagold keine echte Pause gegönnt. Ich wurde krank und habe mich nicht vollständig erholt. Dadurch konnte ich im vergangenen Winter auf der Strecke oder am Schießstand nicht das zeigen, wozu ich eigentlich in der Lage bin. Niemand konnte mir sagen, wo genau das Problem liegt. Doch jetzt bin ich richtig erholt und fühle mich super.“

Ausblick auf die Saison

Obwohl das erste Trainingscamp der Franzosen etwas später als bei anderen Nationen stattfand, war es ein guter Neustart für das Team, für das Fourcade einfache Ziele vorgibt: „Ich möchte, dass die Athleten am Ende der Saison zufrieden mit ihrer Leistung sind. Ich möchte den jungen Talenten helfen, sich weiterzuentwickeln und mehr Weltcup-Erfahrung zu sammeln. Gleichzeitig sollen die erfahrenen Teammitglieder wieder zurück an die Weltcup-Spitze kommen und absolute Bestleistungen abliefern.“

Fotos: IBU/Jerry Kokesh, Quentin Fillon Maillet, Nordic Focus/Vianney Thibaut

Teile die News!

Header iconAbonniere unseren Newsletter