Franziska Preuss: Neues Selbstvertrauen

Franziska Preuss schloss die letzte Saison auf dem dritten Platz im Gesamtweltcup ab, ein Karriere-Höhepunkt, auf den sie viele Jahre hingearbeitet hatte. Zu den Erfolgsfaktoren gehörten gute Gesundheit und konstant gute Ergebnisse mit neunzehn Top-Ten-Platzierungen.

Die 27-jährige Preuss hat die Saison mit neuem Selbstvertrauen abgeschlossen und in diesem Sommer viel gutes Training zuhause in Ruhpolding absolviert, um sich auf ihre neunte Saison im BMW IBU Weltcup vorzubereiten. Nach dem Training für den letzten Oestersund-Feinschliff auf erstem Neuschnee in der Chiemgauarena spricht sie über die letzte Saison, Staffeln, ihr neues blaues Gewehr und ihre Ziele für die bevorstehende Olympia-Saison.

Biathlonworld: Wie zufrieden warst du mit dem dritten Platz im Gesamtweltcup in der letzten Saison? War das dein Ziel? Franziska Preuss: Ich war nach der Saison sehr zufrieden. Mein oberstes Ziel war es, die ganze Saison über gesund zu bleiben, und darüber habe ich mich sehr gefreut. Am Ende hat es mich besonders gefreut, dass ich es auf Platz drei der Gesamtwertung geschafft habe. Das hat mir viel bedeutet.

BW: Der Weg zu diesem dritten Platz war lang – vielleicht länger, als du erwartet hattest? FP: Ja, als ich in den Weltcup kam, war ich 19. Die ersten zwei Jahre waren richtig gut, und dann wurde es gesundheitlich ein bisschen schwierig. Ich hatte viele Herausforderungen zu bewältigen. Aber ich habe in dieser Zeit viel über mich gelernt. Vielleicht hätte ich das lieber nicht so gelernt, aber deswegen wusste ich das letzte Jahr auch zu schätzen: Gesund zu sein, konstant zu sein und gute Rennen zu laufen.

BW: Bist du damals vielleicht zu früh in den Weltcup gewechselt? FP: Vielleicht, weil es erst mein viertes Jahr im Biathlon war. Ich bin erst sehr spät zum Biathlon gekommen, also war es vielleicht zu schnell zu viel.

BW: Das letzte Jahr war für dich das bislang konstanteste. Was hat abgesehen von deiner Gesundheit noch dazu beigetragen? FP: Das Training war gut. Ich war im Sommer davor wieder zu meinem alten Trainer gewechselt. Er kennt mich gut und ich kenne ihn gut. Das war für mich ein wichtiger Schritt. Ich habe versucht, auf die Erfahrungen der letzten Jahre aufzubauen. Es gab viele wichtige Schritte vorwärts, das Gesamtpaket hat gestimmt, aber manchmal habe ich mich trotzdem noch über den einen letzten Schuss geärgert!

BW: Als Schlussläuferin in der Staffel hast du ein paar tolle Ergebnisse abgeliefert. Magst du diese Position, diesen besonderen Druck? FP: Ich glaube nicht, dass das am Druck lag. Es war eine neue Erfahrung, die Schlussläuferin zu sein. Ich wollte mir beweisen, dass ich eine Kämpferin bin. Simon (Schempp) hat mir ein paar gute Tipps gegeben, wie man mit dieser Position umgeht, konzentriert bleibt und nicht zu sehr unter Stress gerät. Es war eine gute Mischung aus allem.

BW: Wie kommt es, dass du in Staffeln so gut geschossen hast (nur zwei Nachlader in vier Staffeln) und in manchen anderen Rennen nicht so gut? FP: Ich weiß es wirklich nicht. Wenn ich die Antwort wüsste, würde ich das in jedem Rennen machen! Vielleicht lebe ich in den Staffeln mehr für den Augenblick. Ich schau mir einfach an, was die anderen Mädels machen, und dann versuche ich es so gut hinzubekommen wie sie. Man denkt nicht so viel nach, wie auch beim Massenstart. Wenn ich auf den Wechsel warte, schaue ich einfach, was die anderen Staffeln machen, konzentriere mich auf den Moment und laufe los.

BW: War es ziemlich cool, die Staffelmedaille in Pokljuka zu gewinnen, nachdem du die Medaillen in Sprint, Verfolgung, Einzel und Massenstart so knapp verpasst hattest? FP: Sehr cool, vor allem nach den anderen Rennen, wo ich oft so nah dran war. Man hört ganz oft von den Leuten „Wo ist die Medaille“? Als wir die gewonnen hatten, waren wir also alle überglücklich und ein bisschen überrascht, vor allem nachdem die erste Rennhälfte für uns nicht so gut gelaufen war.

BW: Wo wir es gerade vom Medaillendruck haben, macht dich das manchmal wahnsinnig? FP: Vor allem letztes Jahr war es schwer, damit umzugehen, weil man nur Biathlon um sich hatte, keine Familie und keine Freunde. Alle waren zusammen in der Biathlon-Blase, und es war Biathlon rund um die Uhr. Es war wirklich schwer, davon mal loszukommen. Einen Tag vor der Staffel bin ich zu unserem Küchenteam gegangen und habe gefragt, ob ich in der Küche helfen kann, einfach nur um mal was Normales zu machen, was nicht Biathlon ist. Das war richtig gut, danach hatte ich neue Energie und mentale Stärke. Es war sehr wichtig, mal etwas anderes zu machen als Biathlon. Und was musste ich machen? (Lacht herzhaft) Abwaschen!

BW: Der Massenstart scheint deine Lieblingsdisziplin zu sein. Was macht ihn für dich so besonders? FP: Das ist wie mit der Staffel, man lebt ganz für den Moment. Wenn man erstmal auf der Strecke ist, wollen alle vorn laufen, also muss man seine Position verteidigen, und man denkt nur an das, was jetzt gerade passiert. Das tut mir gut, diese mentale Klarheit, wenn man nicht so viel nachdenken muss.

BW: Was hast du in der letzten Saison über dich gelernt? FP: Das wichtigste in der letzten Saison war, dass ich auf mich vertrauen kann, darauf, dass ich auch eine gute Athletin bin. In den letzten Jahren habe ich es so oft schwer gehabt, und dann fragt man sich oft „Bin ich eine gute Athletin, oder gut genug?“ Darüber habe ich viel nachgedacht und (gute Rennen) visualisiert, bin dann in einen guten Flow gekommen und habe mein Selbstvertrauen wiedergefunden. Das hatte ich vorher verloren, weil mein Körper nicht funktioniert hat, also war es gut, das wiederzufinden.

BW: Hast du dich für deine Freundin Lisa Theresa Hauser gefreut, dass die Saison für sie so gut gelaufen ist? FP: Ich habe mich sehr für sie gefreut und habe großen Respekt vor ihren Leistungen. Pokljuka war wirklich grandios. Nicht nur ein Rennen, jedes Rennen. Eines der Highlights für mich war zu sehen, wie ihre Mannschaft, ihre Trainerteam und alle anderen sie gefeiert haben. Alle haben gestrahlt, das war so schön zu sehen, alle haben sich für sie gefreut. Mein nächstes Ziel ist, mit ihr zusammen eine Medaille zu gewinnen.

BW: Mit dem Stehendschießen hast du in der letzten Saison zu kämpfen gehabt. Hast du deswegen einen neuen Gewehrschaft? FP: Ich glaube, das war letztes Jahr ein mentales Problem, da habe ich mich immer gefragt, „Ist heute ein guter Tag am Schießstand oder nicht?“ Dann kommt man in so eine Abwärtsspirale, aus der man nur schwer wieder herausfindet. Es war also wichtig für mich, einen neuen Schaft zu bekommen. Wichtig für den Kopf und einen frischen, neuen Ansatz. Ich bin sehr froh, dass ich das gemacht habe. Sandro Breislinger in Oberhof hat den Holzteil gemacht und Clement Jacquelin das Griffstück, das war neu für mich. Ich bin mit der Kombination sehr zufrieden. Jetzt fühle ich mich sicher, meine Leistung im Training ist sehr gut, aber wir werden sehen, wie das alles unter Wettkampfdruck trägt.

BW: Hast du im Hinblick auf Peking im Training irgendetwas anders gemacht? FP: Ganz ehrlich, ich habe nichts anders gemacht. Ich glaube, Peking wird für alle eine Überraschung. Ich bin kein großer Fan von der Höhe, mein Körper mag das nicht so. Ich bin zuhause in Ruhpolding geblieben und habe es genossen, dort zu sein, aber ich habe auch in Antholz trainiert, da bin ich gern mal 10 Tage. Ich glaube, wenn man gut in Form ist, ist man gut in Form. Ich bin kein Freund davon, in einer so wichtigen Saison zu experimentieren.

BW: Was ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen neuen Saison? FP: Ich will wieder gesund bleiben, was für alle wichtig ist. Dann hoffe ich, dass ich mich am Schießstand gut schlage, besser als letztes Jahr. Ich will mich nicht über mich selbst und diesen einen Schuss ärgern. Ich hoffe, dass meine Laufleistung stimmt. Ich will es in die Top sechs in der Weltcup-Gesamtwertung schaffen, aber das ist wirklich schwer, weil die Konkurrenz echt stark ist. Man darf keine größeren Probleme haben, wenn man da vorn mitspielen will.

BW: Wenn du die Wahl hättest, würdest du lieber eine Medaille bei den Winterspielen oder den Gesamtweltcup gewinnen? Oder beides? FP: Am besten wäre natürlich beides! Ganz ehrlich, für mich zählt der Gesamtweltcup mehr, weil man da die gesamte Leistung von November bis März sieht. Für mich als Athletin zählt das mehr. Aber für normale Menschen ist es die Olympia-Medaille.

BW: Wie würdest du dich in fünf Wörtern beschreiben? FP: Ich bin fröhlich, ehrlich, im normalen Leben sehr unkompliziert, im Sport vielleicht nicht so. Ich bin ehrgeizig, und (lacht) Simon würde wahrscheinlich sagen, dass ich ein bisschen unordentlich bin!

Photos: IBU/Christian Manzoni, Franziska Preuss

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