Franziska Preuss: „Aufgeben liegt nicht in meinem Charakter“

Franziska Preuss ist eine Biathletin, deren Name oft fällt, wenn es um unglückliche Rückschläge geht. Schon seit den ersten Saisons im Spitzensport wird die 29-jährige Deutsche immer wieder von gesundheitlichen Rückschlägen und Verletzungen ausgebremst, und das obwohl sie schon mit 21 Jahren ihre erste große Einzelmedaille in Kontiolahti gewann. Mit der BMW IBU Weltmeisterschaft auf heimischem Boden im Blick bemühte sich Preuss, für das Großevent in Topform zu kommen, musste ihre Saison aber schon vor Oberhof 2023 beenden.

Einige Monate später, nachdem sie sich nach einer der schwierigsten Entscheidungen ihrer Karriere berappelt und sich eine wohlverdiente Pause vom Sport gegönnt hat, ist sie so motiviert wie eh und je.

Ein gutes Gefühl und Vertrauen in den Prozess

„Ich fühle mich jetzt gut“, erklärt sie während ihres Sommertrainings: „Ich bin froh, wieder mit einem guten und ‚normalen‘ Gefühl zu trainieren. Natürlich war der Wiedereinstieg im Frühling schwer, vor allem die ersten harten Einheiten, aber es macht Spaß, den Prozess zu durchleben und ich bin mit meinem Training zufrieden.“

Auch wenn sie noch keine 30 Jahre alt ist, kehrt sie als Seniorin in die Mannschaft zurück, nachdem die vergangene Saison mit einigen Abschieden geendet hatte.

„Das stimmt, in unserer Mannschaft hat es einige Veränderungen gegeben, das war also ein merkwürdiges Gefühl, nach 10 Jahren im Weltcup jetzt die Älteste zu sein. ... Aber ja, so ist das Leben!“ Mit einem Lächeln, in dem ihre Entschlossenheit klar zu erkennen ist, sagt sie weiter: „Eins bleibt sich aber immer gleich: Wir wollen gut trainieren und im Winter gut in Form sein.“

Zuallererst auf den Körper und den Geist hören

Die Motivation, zur Heim-WM in der besten Form aller Zeiten zu sein, ist für manche Athletinnen über Jahre der große Antrieb. Preuss allerdings musste sich damit abfinden, dass die Realität anders aussah als erhofft.

„Die ganze Entscheidung war ein Prozess: Die Zeit zwischen Januar 2022 und Januar 2023 war für mich in Sachen Gesundheit und Energielevel eine riesige Herausforderung. Ich habe viel mit gesundheitlichen Problemen gekämpft, was mich viel Kraft gekostet hat. Deswegen war es einerseits unglaublich schwer, im Januar dann doch die Saison zu beenden, aber andererseits war es auch einfach, weil mein Körper mir so viele Signale gesendet hat, dass irgendwas nicht stimmt. Manchmal muss man mit sich selbst ehrlich sein, und ich musste eben akzeptieren, dass ich im Biathlon nicht auf dem Niveau war, auf dem ich sein wollte.

„Die Priorität war also ganz klar, mich um mich selbst zu kümmern. Ich war stolz auf mich, dass ich diese Entscheidung getroffen hatte. Der Prozess war viel schwieriger als daran zu denken, die Weltmeisterschaft in Oberhof ausfallen zu lassen.“

Gesund werden und erholen

Sobald die Entscheidung gefallen war, war für Preuss klar, dass sie eine Pause brauchte. Nicht nur ihr Körper gab ihr das klar zu verstehen, auch mental war es nötig. Die zwei schwierigen Saisons hatten ihr viel abverlangt, und die Deutsche nutzte die Gelegenheit, endlich Dinge zu tun, die ihr in der langen Karriere nie möglich gewesen waren.

Ich habe beschlossen, während der Weltmeisterschaft nach Thailand zu reisen, für einen echten Tapetenwechsel. Es war genau die richtige Entscheidung, mal eine andere Kultur, andere Menschen und so weiter zu sehen. Ich war ganz überrascht, wie leicht es war, nicht über Biathlon nachzudenken. In Thailand interessiert Wintersport wirklich niemanden! Ich habe gesehen, dass die Welt sich einfach weiterdreht, und diese Zeit aus ganzem Herzen genossen.“

Aber sie machte nicht nur Urlaub, sie verbrachte nach ihrer Rückkehr auch Zeit mit ihren Lieben, um zu den Wurzeln ihrer Leidenschaft zurückzufinden.

„Ich habe viel Zeit mit Familie und Freunden verbracht, wir sind mit den Kindern alpin Skilaufen gewesen, waren zusammen Langlaufen, beim Krimi-Dinner ... ich habe zum ersten Mal seit über 10 Jahren meinen Geburtstag zuhause mit Freunden gefeiert! Es war auch ein gutes Gefühl, nicht auf Social Media zu sein, einfach abzuschalten und den Moment zu genießen. Biathlon war so weit weg; ich habe in der letzten Saison nicht mal ein Rennen geschaut. Diese Auszeit war für mich als Mensch und als Athletin ungemein wichtig. Ich habe viel Kraft getankt.“

Wieder im Training

Die 29-Jährige hat in der Vergangenheit leider schon öfter gesundheitsbedingt längere Pausen einlegen müssen, wusste also, wie sie sich den Wiedereinstieg in das Training einteilen muss.

„Die ersten Wochen, nachdem ich beschlossen hatte, die Saison abzubrechen, hatte ich keine Motivation für Sport, es war einfach ‚schön‘, sich die Freiheit zu gönnen, zu akzeptieren, dass man jetzt müde ist und keinen Antrieb hat. Ich hatte dieses Gefühl schon seit dem Herbst davor gehabt, hatte aber mental die ganze Zeit dagegen angekämpft. Ich habe also etwa fünf Wochen Pause gemacht mit dem Sport, dann bin ich wieder mit ein bisschen Joggen oder Skilaufen eingestiegen, aber nur ohne Uhr! Hauptsache, es macht Spaß. Ende März hatte ich dann das Gefühl, dass ich wieder mehr machen und mehr Sport machen will. Und ja, erst dann habe ich wieder angefangen, mit einem Plan für eine neue stabile Grundlage zu arbeiten, überwiegend Einheiten mit niedriger Intensität.“

Jetzt geht es für sie darum, sich die Zeit zu nehmen, um wieder in Form zu kommen.

„In den nächsten Monaten ist mein Ziel, mich schrittweise wieder an größere Intensität heranzuarbeiten. Ich weiß, dass ich momentan noch an meiner Form arbeiten muss. Ich freue mich darauf, bei ein paar Sommer-Rennen wieder eine Startnummer zu tragen. Mein nächstes Ziel ist, mich im November wieder für den Weltcup zu qualifizieren, und dann sehen wir weiter!“

Immer noch voll motiviert, Biathletin zu sein

Trotz aller Rückschläge und Verletzungen hat Preuss das Gefühl, dass sie da ist, wo sie sein will. Die Herausforderungen der letzten Jahre und die Auszeiten vom Sport haben ihr gezeigt, dass ihr ganzer Fokus auf dem Sport liegt.

Vielleicht liegt es in meinem Charakter, niemals aufzugeben. Auch meine Familie gibt mir viel Rückhalt und muntert mich auf. Ich habe immer noch Träume im Biathlon, und die motivieren mich. Aber es ist natürlich mental auch harte Arbeit, optimistisch zu bleiben.“

Die Deutsche hat zuletzt auch viel Zeit gehabt, andere Dinge auszuprobieren, unter anderem den Hausbau zusammen mit Partner Simon Schempp. Solche Erfahrungen könnten richtungsweisend sein, wenn es darum geht, was sie nach ihrer Biathlon-Karriere macht.

„Während unseres Hausbau-Projekts hatte ich viel Spaß beim Planen und Erkunden der verschiedenen Möglichkeiten. Vielleicht etwas in dieser Richtung (als zukünftige Karriere), aber momentan konzentriere ich mich zu 1000 % auf Biathlon und meine Karriere als Athletin. Und da gibt es noch genug zu tun!“

Es ist ungewöhnlich, dass jemand mit so purer, unverfälschter Leidenschaft und Hingabe diesen Sport betreibt, und deshalb hoffen wir, dass Preuss gesund und unverletzt bleibt und noch viele Saisons im Biathlon genießen kann, um hochmotiviert ihren Träumen nachzujagen. Die Biathlon-Fans werden sie sicher mit offenen Armen empfangen, sobald sie das Ticket für den BMW IBU Weltcup wieder gelöst hat.

Fotos: Preuss, Reiter/NordicFocus, IBU

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