Nach fast vier Monaten ohne Leistungssport merkt Vanessa Voigt, dass sie noch Zeit braucht, um auf ihr gewohntes körperliches Level zu kommen. Sie ist nach ihrer Pause wieder in das deutsche Biathlonteam integriert, war Anfang Mai mit der Mannschaft beim Lehrgang in Oberhof und ist im Juni beim Trainingslager in Livigno dabei. Trotzdem fühlen sich die Einheiten anders an, das Training hat für sie einen anderen Schwerpunkt. Das Wichtigste: Der Sport mache ihr wieder Spaß, sie habe wieder Kraft, um sich zu schinden.
Nach ihrem Saisonaus im Januar war an Leistungssport erstmal nicht zu denken. Sie fühlte sich erschöpft, schon kleine Spaziergänge an der frischen Luft strengten sie an.
„Es war sehr schwer für mich zu akzeptieren, dass ich eine Pause brauche. Im Sommer 2024 hat mein Kopf gestreikt. Da war mir schnell klar, dass ich mich erholen muss. Im Winter war es dann eine andere Situation. Mein Kopf wollte, aber mein Körper hat resigniert. Loslassen hört sich einfach an, ist es dann im Moment aber nicht“, sagt die 27-Jährige. Doch als sie die Entscheidung akzeptiert und verkündet hatte, wurden ihre körperlichen Werte wieder besser. Ein Zeichen für Vanessa Voigt, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hat.
Um nicht ständig der Biathlon-Bubble ausgesetzt zu sein, löschte Vanessa Voigt als Erstes die Instagram-App von ihrem Handy.
„Zu sehen, wie die anderen Videos und Bilder von Wettkämpfen und Training posten, hätte mich zu sehr gestresst.“ Sie brauchte Abstand. Ihren Urlaub hat sie vorgezogen und sich bewusst nicht mit Biathlon beschäftigt. Ein Mix aus aktiven Erlebnissen und Entspannung habe ihr geholfen, abzuschalten. Im März versuchte sie dann mit kleinen Trainingseinheiten, wieder in den sportlichen Alltag zurückzufinden. Die sportliche Leistung stand da aber noch nicht im Fokus, vielmehr ging es für sie darum, wieder gesund zu werden. Ein wichtiger Punkt war für mich zu wissen, dass ich in der nächsten Saison im Weltcup gesetzt bin. So muss ich mich nicht mit der Qualifikation auseinandersetzen, sondern kann in meinem Tempo zu meiner alten Stärke zurückfinden.“
Sie sei sich bewusst, wie privilegiert sie sei, ihr Hobby zum Beruf machen zu können, und sei deswegen sehr froh, dass die Lust auf Training wieder da ist. Sie habe ihr Leben als Leistungssportlerin vermisst und freue sich darauf, jetzt wieder stetig ihre Leistung zu verbessern.
Vanessa Voigt spricht offen über ihre mentalen und körperlichen Probleme. Sie wolle sich nicht verstecken und anderen zeigen, dass nach einer schweren Zeit trotzdem die Sonne irgendwann wieder scheine. Es habe ihr gutgetan, den Sport auch mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
„Es war eine lehrreiche Zeit für mich. Ich habe gemerkt, dass ich auf mich hören muss. Natürlich braucht ein Sportler ein Team, und da muss man sich an der ein oder anderen Stelle anpassen, aber letztendlich stehe ich allein am Start und muss es bis zur Ziellinie schaffen.“ Sie habe gesehen, dass es eine ihrer Stärken sei, im Kopf fit zu sein und Eindrücke verarbeiten zu können. „Ich möchte in Zukunft mit meinem Team offener kommunizieren. Vielleicht ist es eine Stärke, Schwäche zu zeigen“. Für diese Erfahrungen sei Vanessa Voigt dankbar.
Für die neue Saison wünscht sich Vanessa Voigt, mit Leichtigkeit und einem Lächeln am Start zu stehen. Sie sei sich bewusst, dass die Saison besonders ist, da die Olympischen Winterspiele in Antholz vor der Tür stehen. Da sie jedoch schon eine olympische Medaille bei den Spielen von Peking gewonnen hat, mache sie sich keinen Druck, unbedingt Edelmetall sammeln zu müssen.
„Ich habe Olympische Spiele schon erlebt, kenne das olympische Flair. Natürlich will ich als Sportlerin zum Höhepunkt meine beste Leistung zeigen und ich freue mich auch schon auf die Stimmung vor Ort. Aber am Ende bin ich zufrieden, wenn ich gute Rennen gemacht habe. Wozu das dann reicht, wird man sehen.“
Ihr fehlt noch der Platz auf dem obersten Treppchen des Podiums. Das möchte Vanessa Voigt in ihrer Biathlonkarriere noch erreichen, egal ob im Weltcup oder bei den Olympischen Spielen. Sie ist überzeugt davon, dass sie es schaffen kann, wenn sie zu ihrer alten Stärke zurückfindet.