Eder und Zdouc: Österreichs führende Scharfschützen

Zweimal oder viermal Null am Schießstand, das ist der „Goldstandard“ im Biathlon, ein scheinbar simples Ziel, das oft der Schlüssel zum Sieg, einem Platz in der Siegerehrung oder einer persönlichen Bestleistung ist. In der vergangenen Saison führten Simon Eder und Dunja Zdouc die österreichischen Männer- und Frauenmannschaften an, in denen insgesamt vier Athlet*innen eine Trefferquote von 90 % oder besser hatten.

Eders 60. fehlerfreier Tag

Routinier Eder, der gerade seine 21. internationale Biathlon-Saison beendet hat, zeigte am Schießstand erneut herausragende Leistungen und sicherte sich damit sechs Top-10-Ergebnisse. Nachdem er in der „schwachen“ Saison 2021/22 nur 88 % seiner Scheiben getroffen hatte, lag er 2022/23 wieder bei 90 %. Beeindruckend ist vor allem seine Trefferquote von 95 % im liegenden Anschlag, wo er von Saisonbeginn an bis zur Single-Mixed-Staffel in Pokljuka mit zwei Nachladern alle Schüsse ins Schwarze setzte. Im Massenstart von Oslo erreichte der Österreicher eines seiner Ziele für diese Saison: Zum 60. Mal in seiner Karriere traf er alle Scheiben in einem Rennen.

Von Antholz bis zum Saisonende setzte Eder in Einzelrennen nur 7 von 170 Schuss in daneben. Nachdem er vor Weihnachten im Stehendanschlag Probleme gehabt hatte, erklärte er, welche zwei Dinge für die Rückkehr zu gewohnter Sicherheit entscheidend gewesen waren. „Das motorische Gedächtnis hat wieder übernommen, die Selbstsicherheit kehrte zurück und dann hat es sich viel einfacher angefühlt als im Dezember.“

Der letzte Schuss

Nach vier fehlerfreien Auftritten in dieser Zeit erklärt Eder, warum der letzte Schuss so wichtig und der Druck so groß ist. „Es ist der wichtigste Schuss, weil man seinem Ziel fehlerfrei zu schießen schon so nah ist. Anderen Athlet*innen dabei zuzuschauen, wie sie letzte Schüsse völlig unbeeindruckt und ruhig setzen, hilft mir sehr und spornt mich an! Hanna Öberg, Lisa Vittozzi, Doro Wierer, Sebastian Stalder oder Niklas Hartweg können mit dem Druck richtig gut umgehen.“

Einfluss in der Mannschaft

Der österreichische Cheftrainer Vegard Bitnes sieht den Verdienst für Eders Erfolg vor allem bei Eder selbst und spricht von dem großen Einfluss, den dieser nach wie vor auf das Team hat. „Letztes Frühjahr habe ich zu ihm gesagt, du bist jetzt 39, was du in den letzten 10 - 15 Jahren gemacht hast, hat funktioniert, also weiß ich nicht was und wie viel wir daran ändern sollen. Alles was ich von dir will und brauche, ist dass du mit der Mannschaft trainierst. Ich möchte, dass du mit den jungen Leuten ‚rumhängst‘, weil du für so viele von ihnen immer noch ein Vorbild bist und sie so viel von dir lernen können. Das hat er gemacht, und siehe da: Die Nachwuchs-Jungs haben Simon im Training jeden Tag ganz schön rangenommen.“

Und dabei war Eder nicht der Einzige im österreichischen Männer-Team, der mit guten Schießleistungen von sich reden machte. David Komatz, der schon seit Jahren eine Bank am Schießstand ist, zog mit dem älteren Mannschaftskameraden gleich und traf ebenfalls 90 % seiner Scheiben. Bei einem seiner zwei fehlerfreien Tage in der letzten Saison reichte es für Komatz zu einer persönlichen Bestleistung auf Platz 11 im Sprint von Nove Mesto. Für den 31-Jährigen war das aber nicht das einzige Highlight der Saison. Nachdem er 2021 bei der IBU WM in Pokljuka mit der gemischten Staffel eine Silbermedaille gewonnen hatte, holte er in diesem Jahr zusammen mit Lisa Theresa Hauser Silber in der Single-Mixed-Staffel in Oberhof.

Außergewöhnlich selbstsicher

Bitnes erklärt, erfolgreiches Schießen sein ein komplexer, aber „nie abgeschlossener Prozess. Selbstvertrauen ist etwas, das mit der Zeit wächst! Im Grunde ist Schießen ganz einfach. Es liegt am Athleten, es nicht kompliziert zu machen... In Hochfilzen haben wir unser Testzentrum, in dem auch geschossen wird. Wir haben jede Menge Daten zu allen österreichischen Biathlet*innen, also haben wir eine gute Datenbasis, wenn es um die rein mechanischen Biathlon-Aspekte geht, was auch dem Nachwuchs zugutekommt. Letzten Endes ist jeder Athlet und jede Athletin für die Motivation am Schießstand selbst verantwortlich.“ Zum Selbstvertrauen sagt er weiter: „Ich glaube, JT Bö hat die Latte noch mal deutlich höher gehängt, als er in Oberhof ein Stehendschießen in 15 - 16 Sekunden heruntergerissen hat. Das würde er nicht tun, wenn er nicht außergewöhnlich selbstsicher wäre.“

92 % das Ziel für Zdouc

Hauser heimste bei den Österreicherinnen die meisten Lorbeeren ein, gewann sie doch in einer weiteren soliden Saison den Sprint in Kontiolahti und den Massenstart in Annecy Le Grand Bornand, und das mit einer Trefferquote von insgesamt 85 % am Schießstand. Beim Schießen glänzte allerdings Dunja Zdouc die zweite Saison in Folge mit 92 % Trefferquote und sieben fehlerfreien Tagen, was eine Verbesserung von 10 Prozentpunkten zwischen 2019/20 und 2022/23 darstellt. Mannschaftskameradin Tamara Steiner, die in ihrer ersten Weltcupsaison nicht alle Rennen bestritt, schaffte es ebenfalls auf 92 %, und Nachwuchshoffnung Anna Gandler immerhin auch schon auf beeindruckende 86 %.

Zdouc war über die 92 % ganz aus dem Häuschen. „Ich muss zugeben, dass ich sehr stolz bin, dieses Ziel erreicht zu haben. Ich wollte es wirklich über die 90 % schaffen. Natürlich war das viel harte Arbeit ... aber am Ende braucht man auch ein bisschen Glück!“ Was sich in diesen Jahren verändert hat, findet sie schwer zu greifen. „Vielleicht ist es gut für das Selbstvertrauen, wenn man weiß, dass man das kann, weil man es schon mal geschafft hat. In diesem Jahr wusste ich, dass ich die guten Schießleistungen brauche, weil ich während der ganzen Vorbereitungszeit von Ende Mai bis Ende November verletzt war, also gab es rein körperlich keine Verbesserungen. ... Gottseidank besteht Biathlon ja aus Laufen und Schießen, also kann man mit fehlerfreiem Schießen noch immer ein gutes Resultat einfahren.“

Was die sieben Tage mit weißer Weste angeht, sagt sie: „Es ist schwer zu beschreiben, wie das ist, wenn der letzte Schuss dran ist. Vielleicht ist der beste Weg zu gutem Schießen, nicht zu viel darüber nachzudenken und es einfach passieren zu lassen, aber das ist leichter gesagt als getan!“

Philosophie fürs Schießen: Ziel und Zweck

Die Österreicher schnitten in der letzten Saison am Schießstand mit am besten ab, waren motiviert, selbstsicher und investierten viel Arbeit. Bitnes macht die früheren Trainer, die die Grundlage gelegt haben, seinen Assistenten Ludwig Grendler und eine kleine Veränderung in der Philosophie dafür verantwortlich. „Ich habe die Trainingseinheiten gestrichen, die für mich zwecklos erschienen, Schießen um des Schießens Willen sozusagen. Alles Training sollte einen Ziel und einen Zweck haben. Wie James Clear einmal gesagt hat: „Einer der effektivsten Wege zu besseren Gewohnheiten ist, sich einer Kultur anzuschließen, wo dein gewünschtes Verhalten das normale Verhalten ist.“

Dann ist da noch die Perspektive des Veteranen Eder, der es ganz gut zusammenfasst. „David, Dunja und Tamara haben großes Talent und arbeiten hart! Wir arbeiten im Training zusammen und helfen uns gegenseitig dabei, besser zu werden. Das ist der beste Mannschaftsgeist, seitdem ich im Weltcup laufe, und der Grund dafür, dass ich noch motiviert bin.“

Fotos: IBU/Christian Manzoni, Bjorn Reichert, Per Danielsson

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