Für die meisten Sportler sind die Olympischen Spiele das höchste Ziel ihrer Karriere. Es ist schwer in Worte zu fassen, wie wichtig dieses Ereignis im Leben eines Sportlers ist. "Die Olympischen Spiele sind der absolute Höhepunkt für jeden Athleten. Die Spiele haben einfach einen besonderen Reiz und sind ein tolles Erlebnis". das sagt auch Kati Wilhelm. Sie ist dreifache Olympiasiegerin im Biathlon und hat in ihrer Karriere insgesamt sieben olympische Medaillen gewonnen. Gemeinsam mit ihr, Michael Greis und Anna Carin Zidek blicken wir am Olympischen Tag zurück auf die Olympischen Winterspiele 2006 in Turin und auf die kommenden Spiele in Antholz.
Respekt, Exzellenz und Fairness – unter diesem Motto wird jedes Jahr im Juni der Olympische Tag begangen. Er erinnert an den Gründungstag des Internationalen Olympischen Komitees im Jahr 1894 – die Geburtsstunde der modernen Olympischen Spiele, aber auch an die Träume, Erlebnisse und Karrierehöhepunkte, die Athleten wie Wilhelm, Greis und Zidek bei den Wettkämpfen hatten.
Michael Greis hat in Turin gleich mehrfach Geschichte geschrieben. Er ist der erste Biathlon-Olympiasieger im Massenstart, denn diese Disziplin feierte 2006 ihre Premiere, und gewann bei denselben Spielen drei Goldmedaillen – das hatte vor ihm noch kein deutscher Athlet geschafft: "In Turin hat einfach alles gepasst. Nach der Vorbereitung in Ridnaun bin ich mit dem Gefühl losgefahren, dass ich perfekt vorbereitet bin und dass alles klappen wird. Dieser Eindruck hat sich dann in Turin bestätigt." Ihm fiel das besondere Flair vor Ort auf, die Logistik war gut organisiert, das deutsche Herrenteam wohnte direkt neben den Wettkampfstätten in San Sicario und ging zu Fuß zu den Wettkämpfen: „Natürlich war es immer eine lange Fahrt von unserer Unterkunft ins Zentrum von Turin, aber das nimmt man gerne in Kauf für seine olympische Medaille.“ Die Olympischen Winterspiele in Turin waren der Höhepunkt in Greis' Karriere. Dass er Goldmedaillen in Einzel, Massenstart und Staffel gewinnen würde, hatte im Vorfeld niemand erwartet: "Ich war schon bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City dabei gewesen, hatte dort aber keinen Platz in der Staffel bekommen. Dass es vier Jahre später so gekommen ist, hätte ich als junger Sportler nicht einmal zu träumen wagt."
Auch Kati Wilhelm erinnert sich fast 20 Jahre später gerne an ihre Zeit in Turin. Ihre Augen leuchten, wenn sie von den Olympischen Spielen spricht. Als Fahnenträgerin des deutschen Teams 2006 wurde ihr schon vor dem ersten Wettkampf eine besondere Ehre zuteil: "Ich war schon 2002 Olympiasiegerin. Damals hat das aber niemand von mir erwartet. Vier Jahre später war das anders. Ich kam als Gesamtweltcup-Führende zu den Spielen und wollte zeigen, dass mein Olympiasieg in Salt Lake City kein Zufall gewesen war." Das war er mit Sicherheit nicht, denn Wilhelm zeigte in der Verfolgung ein perfektes Rennen. Mit über einer Minute Vorsprung überquerte sie die Ziellinie und konnte sich feiern lassen. "Das sind Momente, die man nicht vergisst. Ich konnte in Turin viel besser verstehen und genießen, was es heißt, Olympiasiegerin zu sein, weil ich es vorher erlebt hatte. Für mich waren das die besten Winterspiele meiner Karriere", sagt die heute 48-Jährige. Dank ihrer Olympiasiege ist Wilhelm eine der erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Sportlerinnen.
... war Anna Carin Zidek im Massenstart in Turin. Dafür hatte die Schwedin den Sommer über hart gearbeitet. Ihr Trainer Wolfgang Pichler schreckte auch vor harten Trainingseinheiten nicht zurück: "Bei einem Trainingslager in Ruhpolding sind wir an einem Tag fünf Stunden geradelt. Dann überraschte er uns mit einem Schießtest in der Halle. Wer nicht bestand, musste sich wieder aufs Rad schwingen und einen Berg erklimmen. Zum Glück haben es alle geschafft. Wolfgang wollte so trainieren, dass wir uns auch dann noch auf das Schießen konzentrieren konnten, wenn wir erschöpft waren.“ Zidek war die einzige schwedische Biathletin, die sich für Turin qualifizierte. Während das Männerteam trainierte, blieb sie allein im Olympischen Dorf. Aber sie war nicht die einzige Athletin aus ihrem Heimatdorf in Schweden, die Olympiasiegerin wurde: Ihre Jugendfreundin Anna Le Moine tat es ihr im Curling gleich. Zwei Olympiasiegerinnen aus einem Dorf mit nur zweitausend Einwohnern – solche Geschichten kann nur die Olympiade schreiben.
Antholz wird ein hervorragender Gastgeber für die olympischen Biathlonwettbewerbe sein, darin sind sich Wilhelm, Greis und Zidek einig. Sie erwarten viele Fans, eine gute Stimmung und das bekannte Südtiroler Flair mit Sonnenschein und spannenden Wettkämpfen. Greis hält es für einen Vorteil, dass die Biathleten den Ort bereits kennen: "Aus meiner Sicht kann es den Athleten helfen, wenn sie die örtlichen Gegebenheiten und Strecken kennen. Das gibt ihnen Selbstvertrauen. Es kann ihnen auch Kraft geben, wenn Familie und Freunde dabei sind." Wilhelm nennt einen weiteren Aspekt, der den Athleten helfen kann, sich zu entspannen: "Antholz ist nur einer der Austragungsorte der Olympischen Spiele. Die anderen Wettkampforte sind über das ganze Land verteilt. Es wird sich also für die Biathleten wie ein Weltcup anfühlen. Das nimmt dem einen oder anderen vielleicht die Anspannung." Zidek hofft auf Medaillen für das schwedische Team. Sie trainiert junge Biathleten in Schweden: "Vielleicht gibt es einigen von ihnen eine zusätzliche Motivation, wenn sie einem Olympiasieger aus ihrem eigenen Land nacheifern können. Ansonsten freue ich mich auf faire Wettkämpfe", sagt die 52-Jährige.
Noch 228 Tage vom Olympischen Tag bis zur Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele 2026 – und wir können es kaum erwarten, dass neue olympische Geschichten geschrieben werden.
Fotos: IBU I Christian Manzoni