Johannes Kühns Ziel: „Gute Leistung in jedem Rennen“

Drei Wochen nach seinem 30. Geburtstag machte sich Johannes Kühn das wohl beste nachträgliche Geburtstagsgeschenk mit seinem ersten Sieg im BMW IBU Weltcup beim 10 km Sprint der Männer in Hochfilzen. Auf diesen Sieg hatte der Deutsche lange gewartet: Er gewann drei Tage vor dem neunten Jahrestag seines Weltcup-Debüts 2012 im Sprint der Männer in Pokljuka.

In den Jahren nach seinem Debüt war Kühn immer wieder zwischen Weltcup und IBU Cup gewechselt, bevor er in der Saison 2017/18 endgültig in den deutschen Weltcup-Kader aufstieg. Für den geduldigen Biathleten waren die Highlights bis jetzt die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang, den letzten drei Weltmeisterschaften, sein erster Podestplatz im 20 km Einzel auf der Pokljuka 2018 und ein gelegentlicher Top-Ten-Platz gewesen. Anfang 2022 ist er nun auf einem ganz neuen Niveau unterwegs und gilt als einer der Männer, die jederzeit um einen Sieg oder einen Podestplatz mitlaufen können.

Mit dem ersten Sieg in der Tasche und zwei „Heim“-Weltcups in Oberhof und Ruhpolding zu Jahresbeginn 2022 vor der Brust sprach Kühn über seinen Sieg, sein herausragendes Liegendschießen, seine Ziele und die bevorstehenden Olympischen Winterspiele in Peking.

Biathlonworld (BW): Für dich begann die Saison im IBU Cup in Idre, wo du im Sprint auf dem Podest standest. Warst dir klar, dass es da gut laufen wird und du zum Weltcup in Östersund fahren wirst?

Johannes Kühn (JK): Ich war mir nicht sicher, dass es gut laufen wird, aber ich wusste, dass ich zum zweiten Wochenende nach Östersund fahren würde. Wir hatten die Qualifikation in Muonio und es war knapp, aber leider war ich nicht gut genug, um mich direkt zu qualifizieren. Zum Glück haben die Trainer beschlossen, dass zwei in der ersten Woche dabei sind und ich in der zweiten Woche. Es war gut für meinen Kopf zu wissen, dass ich zum Weltcup fahren würde, aber natürlich haben auch alle auf mich geschaut und ich wollte nicht der schlechteste Deutsche sein... Natürlich ist es leichter, im IBU Cup zu starten, aber wenn man mal abgestiegen ist, muss man meist der Beste sein, um wieder aufzusteigen. Das Gute im IBU Cup ist, dass wenn man losläuft und sich gut fühlt und normal in Form ist, man dann unter den Besten landet.

BW: Du hattest ein paar gute Ergebnisse in Östersund (12. im Sprint, 14. im Verfolger) und bist dann nach Hochfilzen und hast diesen riesigen Sieg eingefahren. Hattest du das im Gefühl, dass das ein besonderes Rennen wird?

JK: Nein, überhaupt nicht. Es war ein normales Rennen wie jedes andere. Ich war ein bisschen nervöser als sonst, aber ich weiß nicht warum. Mit meiner Leistung in Östersund war ich ganz zufrieden, vor allem, weil wir ja die Olympia-Norm schaffen müssen (einmal Top 8 oder zweimal Top 15). Ich musste vor allem zeigen, dass ich besser bin als die anderen, damit ich im Weltcup bleiben kann. Das hat zusätzlichen Druck erzeugt. Ich war in Östersund bis zum letzten Kilometer in den Top 8, also wusste ich, dass es möglich ist. Aber mit dem, was in Hochfilzen passiert ist, hätte ich nie gerechnet. Ich habe mich auf der Strecke besser gefühlt als im Sprint von Östersund, vor allem am Ende. Wir hatten gutes, aber kein großartiges Material, aber wenn man aufs Podest will, braucht man gute Ski. Niemand, nicht einmal Johannes Thinges Bö kommt mit schlechten Skiern aufs Podest!

Es war ein bisschen schade, dass ich mit Startnummer 9 vorn gelaufen bin, da hat man nicht so viele gute Leute, an denen man sich orientieren kann. Dann war ich vor Ponsiluoma mit der 14 und dachte, naja, Top acht, das wäre für mich schon echt okay. Ich war glücklich, aber im Massenstart von Annecy zum Beispiel, da bin ich Sechster geworden und habe mich sehr gefreut, weil man sofort sieht, wo man steht. Hochfilzen war anders. Das war nie ein Rennen, bei dem ich dachte, ich könnte es gewinnen. Das einzig Besondere war, dass ich die ganze Zeit in Führung lag ... und auf der letzten Runde haben die Trainer mich natürlich angefeuert, aber es hat keiner gesagt, dass ich gewinnen könnte, die waren einfach nur froh, dass ich nur einen Fehler hatte!

BW: Du hast die Norm für die Winterspiele geschafft. Ist das Ziel jetzt, weiter auf hohem Niveau zu leisten, damit du in den Einzelrennen und der Staffel starten darfst?

JK: Mein Hauptziel ist es, in jedem Rennen gute Leistung zu bringen, egal ob es eine Staffel oder ein Einzelrennen ist. Bei der IBU WM in Anterselva 2020 habe ich es nicht in die Staffel geschafft, obwohl ich der Drittbeste war. Da habe ich mich geärgert, aber später dann verstanden, dass die Trainer nicht die Besten aufstellen, sondern die Zuverlässigsten. Mein Schießen war da noch nicht stabil. Jetzt wie damals wird es am besten sein, auf Basis des Leistungsniveaus zum gegebenen Zeitpunkt zu entscheiden. Die Staffel ist eine gute, wenn nicht die beste Chance auf eine deutsche Medaille, weil es richtig schwer, fast unmöglich ist, eine Einzelmedaille zu gewinnen. In der Staffel sind die Chancen deutlich größer.

... Wenn man gewinnt, ist man Olympiasieger, das ist etwas Besonderes. Andererseits bin ich nicht Emilien, Quentin oder JT, die ständig gewinnen. Die können zu den Winterspielen fahren und sagen, sie wollen eine Medaille gewinnen. Ich habe in zehn Jahren einmal gewonnen, war einmal Zweiter und einmal Dritter. Ich kann da nicht hinfahren und sagen, ich will eine Medaille gewinnen. Ich bin im Weltcup-Geschäft und hoffe, da gute Rennen zu laufen und am Ende auf einem guten Platz zu liegen (momentan Rang 11). Meiner Meinung nach zeigt das, wie gut ein Athlet ist ... Es ist toll, Olympiasieger zu sein, aber ein Sieg im der Weltcup-Gesamtwertung, der zeigt, dass man wirklich der Beste ist. Ich hoffe natürlich trotzdem, in Peking viele Starts zu haben und gute Leistungen zu bringen, aber wenn nicht, geht das Leben auch weiter.

BW: Du hat im Liegendanschlag schon immer gut geschossen und hast in dieser Saison bis heute liegend keine einzige Scheibe verfehlt. Was machst dich zu einem so guten Liegendschützen?

JK: Vor einigen Jahren habe ich versucht, meinen Anschlag zu ändern, damit ich vielleicht im Stehen besser treffe. Nach einigen Wochen habe ich gemerkt, dass ich damit Sicherheit und eine gute Aspekte beim Liegendschießen eingebüßt hatte und im Liegendanschlag nicht mehr so gut traf. Da habe ich mir das anders überlegt. Ich habe mir gesagt: ‚Wenn du schon mit einem (Fehler) einsteigst, musst du die Null (im Stehen) bringen. Wenn du mit Null einsteigst, schießt du vielleicht einen (im Stehen), das ist okay, und wenn du die Null schaffst, ist es richtig gut.‘ Wenn man in mehreren Rennen alle fünf (im Liegen) trifft, gibt einem das Sicherheit. Das Liegendschießen ist für mich im Moment nicht so schwierig. Das Stehendschießen ist schwieriger, weil da mehr Bewegung drin ist. Man kann sich nicht so gut entspannen, und im Liegendanschlag muss man einfach nur aufhören zu atmen, das Ziel anvisieren und abdrücken. Das ist nicht schwierig.

BW: Zwei Weltcups zuhause in Deutschland, leider ohne Zuschauer, wie wichtig sind die für dich persönlich und wie schwierig ist es, an diesen Orten anzutreten?

JK: Fans sind toll, und ich habe in Annecy gemerkt, wie sehr mir das gefehlt hat ... Es ist schön, wenn ein paar Leute da sind (im Stadion). Ich mag die Strecken in Oberhof, und wenn die Bedingungen auf der Strecke und am Schießstand fair sind, ist das ein guter Weltcup, auf jeden Fall. Ruhpolding, für mich der Heimweltcup, ist auch schön, aber um ehrlich zu sein mag ich die Strecken nicht so. Die liegen mir nicht besonders gut. Es sind keine schlechten Strecken, aber sie passen nicht so gut zu meinem Laufstil.

Ruhpolding ist wie Annecy: Es gibt insgesamt wenig Schießfehler, also muss man gut treffen, das ist nicht gerade perfekt für mich. Aber es ist auch mein Zuhause, und das ist immer schön. Das ist auch für Freunde und Familie immer toll, aber momentan denke ich, naja, dann nächstes Jahr vielleicht wieder.

BW: Du hast jetzt den Weltcupsieg geschafft, der sicher auf der Liste deiner Ziele stand. Was ist das nächste Ziel?

JK: Gesund bleiben. Ich habe mir zweimal die Schulter gebrochen und hatte ein paar Knöchelprobleme. Ich weiß, dass es nicht gut ist, wenn man verletzt ist. Als ich klein war, hatte ich mehrere Träume. Zuerst wollte ich mal in die Nationalmannschaft. Das habe ich geschafft. Wenn man es dann in die Top 15 schafft oder eine WM-Medaille gewinnt, bekommt man ein Mannschaftsauto. Das habe ich vor mehreren Jahren geschafft. Eine Sache, die ich noch nicht geschafft habe und gern noch schaffen würde, ist, eine Medaille bei Weltmeisterschaften oder Winterspielen zu gewinnen, egal ob mit der Mannschaft oder in einem Einzelrennen. Ich habe Medaillen bei den IBU Juniorenmeisterschaften und den Europameisterschaften gewonnen, aber das fehlt mir noch und ist richtig schwer zu schaffen ... Um eine Medaille zu gewinnen, muss man an genau diesem Tag unter die Top drei kommen. Das wäre nicht nur für mich, sondern auch für die Mannschaft schön, wenn wir eine Medaille gewinnen würden.

Photos: IBU/Christian Manzoni, Evgeny Tumashov

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