Als das Flutlicht im Biathlonstadion von Östersund erloschen war und die Athletinnen und Athleten nach den intensiven Rennen bei eisiger Kälte ein Plätzchen im Warmen gefunden hatten, sprachen wir mit Helena Ekholm über ihr Fazit der ersten beiden Wochen der neuen Biathlonsaison. Die frühere Weltklasse-Biathletin und jetzige TV-Expertin war bei den ersten Rennen des BMW IBU-Weltcups hautnah dabei. Sie machte deutlich, dass trotz eisiger Temperaturen vor allem die Gastgeber ihr Herz erwärmten.
BiathlonWorld: Helena, was hat dich in den ersten beiden Wochen der neuen Saison am meisten begeistert?
Helena Ekholm: „Ganz klar die Laufleistung von Elvira Oeberg – sie hat in diesem Jahr enorme Fortschritte gemacht. Manchmal kann man nicht sagen, woher diese Stärke kommt, manchmal ist sie einfach da. Von Elvira hat man gehört, dass sie im Sommer richtig aufgetrumpft hat. Und wenn man im schwedischen Team vorn dabei ist, dann hat man auch im Weltcup gute Karten. Sie dürfte auch gesund und ohne Verletzung durch den Sommer gekommen sein, was ein riesiger Vorteil ist. Ihr Körper springt auf das harte Training sehr gut an, das sieht man.“
BW: Welchen Tipp würdest du ihr mit auf den Weg geben, damit sie nicht Opfer ihres eigenen Erfolgs wird?
HE: „Ich denke, sie sollte einfach ruhig bleiben und auf ihre herausragende Laufleistung vertrauen. Das Schießen kommt von ganz allein und sie wird dort ihr Können noch weiter unter Beweis stellen. Sie muss sich nur daran gewöhnen, dass sie in der Loipe aktuell nicht zu schlagen ist.“
BW: Gab es aus deiner Sicht auch negative Überraschungen?
HE: „Die Probleme von Tiril Eckhoff haben mich etwas überrascht. Doch auch letzte Saison kam sie nur schwer aus den Startlöchern und ist dann richtig aufgeblüht. Daher glaube ich, dass wir sie bald wieder auf dem Podium sehen werden.“
BW: Die nächste Weltcup-Station ist Hochfilzen. Können wir auch dort Top-Leistungen des schwedischen Teams erwarten?
HE: „Vergangenen Winter folgte auf den hervorragenden Start in Kontiolahti ein ganz anderer Weltcup in Hochfilzen. Ich könnte mir vorstellen, dass so etwas wieder passiert. Der Saisonstart ist immer etwas ganz Besonderes, da vor den ersten Wettkämpfen alle ziemlich nervös sind. In diesem Jahr hatten wir zudem wieder viele Zuschauer in Östersund. In Hochfilzen sieht die Sache wieder anders aus, daher kann sich viel ändern. Zusammen mit den unterschiedlichen Strecken- und Witterungsbedingungen dürfte es sehr spannend werden.“
BW: Du warst selbst eine Weltklasse-Biathletin. Kann man deiner Meinung nach Rückschlüsse vom Saisonstart auf die restliche Olympiasaison ziehen?
HE: „In einer Olympiasaison haben die Athletinnen zu Saisonbeginn eigentlich immer ein unterschiedliches Formlevel. Daher glaube ich nicht, dass Elvira auch in den restlichen Rennen 50 Sekunden schneller als die Konkurrenz laufen wird. Die anderen Mädels werden ganz sicher aufholen. Natürlich war es ein guter Saisonstart von ihr und wahrscheinlich ist es auch einfacher, die Form auf einem hohen Niveau zu halten, anstatt ihr hinterherzulaufen. Doch gleichzeitig lastet jetzt ein hoher Druck auf ihren Schultern. Nach ihrem famosen Saisonstart steigt die Erwartungshaltung.“
BW: Wir haben nun viel über Elvira gesprochen. Wie wird Hanna darauf reagieren, dass der Fokus auf ihre jüngere Schwester gerichtet ist?
HE: „Ich hoffe, Hanna kann mit den Erfolgen von Elvira umgehen. Ich hatte selbst eine jüngere Schwester, die ebenfalls Biathletin war. Als sie vor mir landete, war ich nicht immer happy. Eine kleine Schwester sollte ihren Platz in der Rangfolge kennen! (lacht) Ich bin mir sicher, dass Hanna froh ist, mit Elvira in einem Team zu sein. Denn wenn deine Trainingspartnerin aktuell die Nummer 1 ist, kann dich das im Trainingsalltag beflügeln. Ich spreche aus eigener Erfahrung, war früher mit Anna Karin Zidek in einem Team. Ich wusste, wenn ich ihr im Training folgen kann, sind das gute Vorzeichen für den Wettkampf.“
BW: Noch ein Wort zu Sebastian Samuelsson, den du sehr gut kennst. Hattest du ihm diesen Start zugetraut?
HE: „Sebastian Samuelsson hat mich auch sehr beeindruckt. Dass er in der Verfolgung trotz vier Schießfehlern noch aufs Podium kam, zeigt sein aktuelles Leistungsniveau. Mich freut es besonders, dass er so gut drauf ist. Wir sind im selben Verein groß geworden. Als ich noch im Weltcup-Zirkus dabei war, lief er als kleiner Junge zwischen uns herum. Seine Entwicklung ist einfach großartig! Er ist genauso alt wie mein kleiner Bruder, daher besteht da schon eine besondere Verbindung. Und ja, ich fühle mich dadurch in die Jahre gekommen!“
Wir danken Helena Ekholm, dass sie uns trotz klirrender Kälte für dieses Interview zur Verfügung stand, und freuen uns auf die weitere Saison, die am kommenden Wochenende in Hochfilzen ihre Fortsetzung findet. Wir sind gespannt, ob Ekholms Prognosen schon bei den Sprints am Freitag wahrwerden.