Expertenmeinung Oberhof: Laura Dahlmeier

Genau wie Marte Olsbu Røiseland – und nun auch Johannes Thingnes Bø – kennt Laura Dahlmeier das Gefühl, fünfmal Gold bei BMW IBU-Weltmeisterschaften zu gewinnen. Auch sie hat einst am eigenen Leib erfahren, wie die Hoffnungen einer ganzen Nation auf ihren Schultern ruhten. Nun gibt Laura Dahlmeier in ihrer Expertenmeinung vor dem Abschlusswochenende in Oberhof letzte Anregungen.

Johannes Thingnes Bø ist ein Phänomen. Es ist einfach faszinierend, wie sehr er die aktuelle Saison dominiert. In Oberhof hat er bei seinen fünf Starts fünfmal Gold gewonnen – und auch in seinen verbleibenden beiden Rennen ist er heißester Titelanwärter. Die Tür zu den möglichen sieben Goldmedaillen hat er in der Single-Mixed-Staffel ganz weit aufgestoßen, als er trotz einer Strafrunde Norwegen noch auf Rang 1 führte. Die Umstände in Oberhof spielen ihm auch in die Karten. JT war schon immer der schnellste Läufer, doch die anspruchsvollen Strecken am Grenzadler sind nahezu perfektes Terrain für ihn. In Sprint und Einzel – in dem er auch die nötige Portion Glück hatte – konnte man sehen, dass er seinen Abläufen am Schießstand blind vertraut und seinen Rhythmus auch bei einem Fehlschuss konsequent durchzieht. Dazu ist er mental unglaublich stark. Meiner Meinung nach verkörpert er derzeit den perfekten Biathleten.

Denise Herrmann-Wick blüht bei ihrer Heim-WM richtig auf. Nach ihren beiden gewonnenen Medaillen haben wir uns angeregt unterhalten. Sie kam auf mich zu und sagte, dass ich mich ganz sicher in sie hineinversetzen kann und weiß, wie sie sich mit all dem Erwartungsdruck fühlt. So eine Gesprächsebene hat man nur mit jemandem, der so eine Situation am eigenen Leib erfahren hat. Als ich selbst noch aktiv war, habe ich eine Magdalena Neuner zwar nie um Rat gefragt, aber wir hatten immer ein gemeinsames Gesprächsthema. Ich glaube, Denise hat sich bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking selbst den größten Druck gemacht. Durch ihre Goldmedaille im Einzel hat sie sich damals ihren Olympiatraum erfüllt und kann sich nun voll und ganz auf die Unterstützung ihres Heimpublikums freuen. Etwas Schöneres gibt es nicht. Besonders beeindruckt mich der deutsche Teamgeist – beim DSV ziehen alle an einem Strang. Das hat auch die anderen zu guten Leistungen animiert. Der Partyhit „Der Zug hat keine Bremse“ ist hier das verbindende Element und tut sein Übriges. In zwei intensiven WM-Wochen liefen Sophia Schneider und Hanna Kebinger bisher etwas unter dem Radar. Dabei haben sie unter Beweis gestellt, dass sie das Zeug haben, in der Weltspitze mitzulaufen – und vielleicht sogar um Medaillen zu kämpfen.

Hanna Öberg sagte, dass sie den Spaß am Biathlon zurückgefunden hat und deshalb in Oberhof so erfolgreich ist. Biathlon ist ein sehr anspruchsvoller Sport. Alle Athletinnen und Athleten stellen sich irgendwann die Frage, ob es all die Mühen wert sind. Die Suche nach einer Antwort ist nicht immer einfach. Aber wenn man für sich eine Lösung gefunden hat, spürt man Freude und Erleichterung. Und dann wird alles wieder gut. Hanna hat diese Phase in Oberhof durchlebt. Sie hat enormes Selbstvertrauen getankt und ich glaube, dass sie am Sonntag noch Großes leisten kann.

Das Abschlusswochenende verspricht viel Spannung und Dramatik. Im Mittelpunkt steht natürlich Johannes Thingnes Bø und die Frage, wie groß das Denkmal wird, dass er sich selbst baut. Alles andere als zwei weitere Goldmedaillen wären eine Überraschung. Das wechselhafte Wetter dürfte das Feld bei den Frauen zusätzlich durcheinanderwirbeln. Wenn ich einen Rat geben soll, dann diesen: Wenn die Vorhersagen eintreten und es windig wird, dann musst du das akzeptieren und dich ganz allein auf deine Aufgabe konzentrieren. Alles andere liegt sowieso nicht in deiner Hand.

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