Jacquelin nach Radunfall und OP auf dem Weg der Besserung

Emilien Jacquelin und seine französischen Teamkollegen absolvierten ein zweiwöchiges Trainingslager in Norwegen, in dessen Rahmen auch der Start beim Blinkfestivalen auf dem Programm stand. Doch Jacquelin musste passen, da er beim Radtraining in eine Betonmauer krachte und sich mehrere Brüche des Handgelenks zuzog. Unmittelbar nach dem Crash wurde er operiert und reiste anschließend zurück nach Frankreich.

Der Unfall warf die Sommervorbereitung des Franzosen zwar komplett über den Haufen, soll aber keine gravierenden Auswirkungen auf seine Saison haben. Mittlerweile ist Jacquelin – ohne Gewehr und Stöcke – wieder ins Training eingestiegen und arbeitet tagtäglich intensiv an seinem Comeback: „Nach den Einheiten machen wir immer 45 Minuten lang spezielle Beweglichkeitsübungen, das ist richtig anstrengend. Die Tage werden dadurch ziemlich lang.“

Bekanntschaft mit der Mauer

Sein Unfall passierte eher unglücklich: „Ich war mit dem Rad auf einer dieser langen, geraden Straßen unterwegs, wie man sie in Norwegen häufig findet. Zu meiner rechten war eine Mauer. Ich habe mich auf mein Laufrad konzentriert und die Barriere nicht bemerkt. Dann bin ich hineingekracht. Mir war sofort klar, dass es meinen Arm arg erwischt hatte – mein Handgelenk war nicht dort, wo es sein sollte.“ Glück im Unglück hatte Jacquelin, da er mit seinen Teamkollegen unterwegs war. „Ich konnte nichts machen. Selbst das Handy zu greifen war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Glücklicherweise passierte der Sturz nach nur 13 Minuten im Sattel, wir waren also noch nicht so weit vom Hotel entfernt.“

Gutes Gefühl nach der OP

Emilien Jacquelin wurde noch in Norwegen umgehend operiert. „Es war komisch. Wenige Tage nach der OP ging es mir richtig gut. Ich war nicht besorgt, sondern ganz ruhig. Zwölf Stunden nach dem Eingriff war ich voller Tatendrang, stand aber noch unter dem Einfluss von Schmerzmitteln. Ich habe den Ärzten gesagt, dass ich nach Hause will. Sie waren mit dem Verlauf der OP zufrieden und gaben ihr Okay. Als ich wieder in Frankreich war, fühlte ich mich blendend, doch es war etwas bizarr. Mir ging es richtig gut und ich dachte, das ist doch nicht normal – nach einer OP sollte es mir schlecht gehen. Ein paar Tage später kippte die Stimmung.“ 

Lauftraining, kein Schießen

Die Rückkehr zu leichtem Training war für Jacquelin zunächst etwas kompliziert, da er keinerlei Druck auf sein Handgelenk ausüben konnte. Radfahren war somit ausgeschlossen. Als Alternative musste Laufen herhalten: „Vier Tage nach der Operation habe ich mit leichtem Lauftraining begonnen. Das war echt hart, weil ich den Arm so komisch halten musste [er beugt dabei den Arm und hält das Handgelenk nach oben]. Nach 30–40 Minuten hat es mir gereicht. Ich war kaputt und mein Körper gab mir zu verstehen, es ruhiger angehen zu lassen. Es ist lange her, dass ich nicht trainiert hatte. Nun läuft das Training schon wieder besser, nur eben ohne den lädierten Arm. Ich kann schon wieder Ausdauereinheiten wie die Langläufer absolvieren, aber nicht schießen. Das ist natürlich bitter. Doch vielleicht hilft mir das auch, mehr Selbstvertrauen am Gewehr aufzubauen. Eine Wahl habe ich nicht – ich muss an mich selbst glauben und die Situation nehmen, wie sie ist.“

Die Einfachheit des Schießens

Mit Blick auf die Herausforderungen am Schießstand glaubt der Franzose, dass die Sache einfacher sein könnte, wenn er weniger darüber nachdenkt: „In der langen Vorbereitung von Mai bis November stellen wir so viele Fragen zum Schießen. Man muss so vieles bedenken. Wenn man einige Zeit kein Gewehr in der Hand hatte, kehrt man zu den Basics zurück – man will einfach nur die schwarzen Scheiben auf Weiß stellen. Es geht nicht um die Handhaltung oder sonst etwas. Manchmal kribbelt es in mir, weil ich nicht schießen kann. Zum Beispiel heute Morgen, als ich bei der intensiven Schießeinheit der anderen nur zusehen konnte. Trotz allem weiß ich, dass ich ein guter Schütze bin und einfach an mich glauben muss. Meine Trefferquote liegt bei 87 % – und das trotz einiger Fahrkarten bei der WM. Natürlich möchte ich mich weiter verbessern, denn das Niveau letzte Saison war wirklich beeindruckend. Wenn du ganz vorn dabei sein willst, müssen 90–92 % deiner Patronen im Ziel landen. Der Biathlon entwickelt sich immer weiter, da muss man sich selbst auch immer weiter verbessern.“

Mentale Einstellung

Bis zu seinem Unfall war der zweifache Verfolgungsweltmeister mit seiner Sommervorbereitung zufrieden. „Der Sommer verlief eigentlich gut. Ich habe viel an meiner Lauf- und Schießleistung gearbeitet. Außerdem wollte ich meine mentale Einstellung ändern. Mir ging es darum, konstanter zu werden, auch wenn ich dadurch etwas an Geschwindigkeit einbüßen würde. Nach den Weltmeisterschaften war mir klar, dass ich hier etwas ändern will. Daran habe ich bis zu meinem Crash gearbeitet. Jetzt weiß ich allerdings nicht, ob ich diesen Weg weiterverfolgen oder doch zu meiner alten Routine zurückehren werde. Es hängt alles von meiner Verfassung ab. Wenn ich in Form bin und mich sicher auf den Ski fühle, versuche ich weiterhin, ruhiger und konstanter zu werden. In den nächsten Jahren will ich in den Kampf um den Gesamtweltcup eingreifen, daher musste ich etwas ändern. Aktuell hat die Heilung meines Handgelenks jedoch Priorität.“

Im Moment leben

Jacquelin blickte auch auf die letzte Saison und seine zwei WM-Titel zurück – die einzigen Siege des Winters. „Es ist eigenartig. Natürlich will ich auch im Weltcup erfolgreich sein, aber irgendwie liegen mir die Eintagesrennen mehr. Wahrscheinlich bin ich deshalb bei den Weltmeisterschaften besser als im Weltcup. Die letzte Saison ohne Zuschauer war ziemlich schwer für mich. Ich hoffe, dass wir im kommenden Winter etwas mehr zur Normalität zurückkehren können und ich jedes Mal das Beste aus mir herausholen kann. Wenn man sich voll auf eine Sache konzentriert, kann man viel erreichen. Also suche ich mir einen Tag heraus, an dem ich über mich hinauswachsen will, und gebe dann alles. Als die Verfolgung anstand, wollte ich meinen Titel unbedingt behalten. Ich hatte einen Plan und den habe ich konsequent umgesetzt, ohne an etwas anderes zu denken. Ich war voll konzentriert, spürte keinen Stress. Ich lebte einfach im Moment und fühlte mich wie ein Musiker, der seine Noten abliest.“

Zurück im Team

Weniger als drei Wochen nach seinem Unfall mit anschließender OP begab sich Jacquelin zusammen mit dem französischen Team ins Höhentrainingslager nach Bessans, was für ihn sowohl physisch als auch psychisch ein großer Schritt nach vorn war. „Es ist schön, wieder bei der Mannschaft zu sein. Ich trainiere zwar gern allein zu Hause, doch mit der Zeit wird das öde. Manchmal braucht man einfach die anderen Jungs um sich herum. Ich versuche, fokussiert zu bleiben und an etwas anderes als an die Verletzung zu denken. In dieser Jahreszeit in die Höhe zu gehen, ist eine gute Vorbereitung auf die Olympischen Spiele. Ich fühle mich derzeit gut. Manchmal ist es allerdings vom Kopf her nicht einfach, die Motivation aufrechtzuhalten und den Fokus einzig und allein auf den kommenden Winter und nicht auf den Arm zu richten.“

Noch ein weiter Weg

Im kommenden Winter steht nicht nur eine spannende Saison im BMW IBU-Weltcup auf dem Programm, sondern mit Olympia wartet ein ganz besonderes Highlight. Die Spiele in Peking sind das große Ziel für Emilien Jacquelin: „Ich kann noch nicht abschätzen, wie meine Form zu Saisonbeginn sein wird. Le Grand Bornand ist in Woche drei, vielleicht läuft es da ja schon gut. Mein Ziel letztes Jahr war, dort zu gewinnen und den WM-Titel zu holen. In diesem Jahr möchte ich bei den anderen Wettkämpfen besser abschneiden und Olympiasieger werden. Der Weg dorthin ist aktuell noch sehr weit für mich, doch ich hoffe auf ein Happy End. Wenn mir das gelingen sollte, wäre ich wirklich sehr stolz.“

Photos: IBU/Jerry Kokesh, Emilien Jacquelin, Quentin Fillon Maillet

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