Braisaz-Bouchet brilliert im Massenstart von Peking

Als Justine Braisaz-Bouchet bei ihrer Schnellfeuereinlage im letzten Stehendschießen eine Scheibe verfehlte, war noch kurz Zittern angesagt. Da sich ihre ärgsten Konkurrentinnen im olympischen Massenstartrennen über 12,5 km beim letzten Anschlag mindestens zwei Fehler leisteten, lief die Französin am Ende in 40:18 Minuten souverän zu Olympiagold. Damit durfte sich die Französin zum zweiten Mal in ihrer Karriere über olympisches Edelmetall freuen, nachdem sie mit der Frauenstaffel 2018 in PyeongChang Bronze geholt hatte. Darüber hinaus stieg Braisaz-Bouchet zur zweiten französischen Biathlon-Olympiasiegerin nach Florence Baverel auf, die 2006 in Turin im Sprint ganz oben auf dem Treppchen stand. Im heutigen Massenstart sicherte sich Tiril Eckhoff nach vier Strafrunden mit 15,3 Sekunden Rückstand die Silbermedaille. Damit nimmt die Norwegerin einen kompletten Medaillensatz aus Peking mit nach Hause. Zuvor gewann sie Gold mit der Mixed-Staffel und Bronze in der Verfolgung. Eckhoff gewann durch ihren heutigen Erfolg ihre dritte olympische Massenstartmedaille in Folge – 2014 in Sotschi und vier Jahre später in PyeongChang wurde sie jeweils mit Bronze dekoriert. Zudem lieferte sie ihr bestes Einzelergebnis bei Olympischen Spielen ab. Ihre Landsfrau Marte Olsbu Roeiseland (ebenfalls vier Schießfehler) sicherte sich mit 34,9 Sekunden Rückstand die Bronzemedaille und damit ihr fünftes Edelmetall in Peking. Zuvor holte sie Gold mit der Mixed-Staffel, im Sprint und in der Verfolgung sowie Bronze im Einzel über 15 km.

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Braisaz-Bouchet im Ziel überwältigt

Mit zwei Fehlern im ersten Liegendanschlag startete die neue Olympiasiegerin alles andere als optimal in den Wettkampf. Anschließend blieb sie am Schießstand allerdings ruhig und souverän und konnte ihr Glück im Ziel kaum fassen: „Ich lag schon eine Minute zurück, bin aber in der zweiten Rennhälfte ruhig geblieben. Ich hatte gute Ski und habe mich auf der Strecke heute sehr wohlgefühlt. Dann führte ich das Rennen auf einmal an. Ich habe den Fokus voll und ganz auf mich gerichtet und mir keine großen Gedanken über den letzten Schuss gemacht. Als ich zum letzten Schießen kam, war ich völlig befreit und klar im Kopf. Das Gewehr hat ganz schön gewackelt, aber ich habe die Chance genutzt. Ein Fehler war nicht schlecht. Dazu stimmten heute Ski und Laufform. Als ich die Ziellinie überquerte, war ich geradezu schockiert und überwältigt. Ich habe zunächst gar nicht verstanden, warum die Trainer und Betreuer so aufgelöst waren. Der Sieg fühlt sich gut an. Ich bin dem französischen Team sehr dankbar und bin überglücklich heute. Das war mein erstes Rennen bei diesen Spielen, in dem ich nicht an Ergebnisse oder Medaillen gedacht habe. Ich habe mich einfach gefreut, im Massenstart dabei zu sein. Trotz der schwierigen Bedingungen und dem Wind war ich einfach glücklich, heute hier laufen zu dürfen.“

Die Tschechin Marketa Davidova kam nach vier Strafrunden 53,4 Sekunden hinter der Siegerin auf Platz vier und verbuchte damit ihr bestes Ergebnis bei Olympischen Spielen. Auf Platz fünf landete Kristina Reztsova (ROC), die sich sechs Strafrunden und 1:11 Minuten Rückstand einhandelte, und damit ihr bestes Olympiaergebnis erzielte. Braisaz-Bouchets Teamkollegin Julia Simon feierte nach sechs Schießfehlern und 1:22,6 Minuten Rückstand mit Rang sechs ebenfalls ihr bestes Ergebnis in einem olympischen Einzelrennen.

Windlotterie am Schießstand

Im letzten Wettkampf der Frauen bei diesen Olympischen Spielen war es wie bereits in den Tagen zuvor sonnig und wolkenlos bei sehr kalten -13 °C. Dazu wehte ein außergewöhnlich starker Wind von links nach rechts ins Schießstadion hinein. Die erste Laufrunde war von Taktik geprägt – Denise Herrmann führte das dicht gestaffelte Feld zum ersten Liegendschießen. Dort räumte Eckhoff als Erste alle fünf Scheiben ab, dicht gefolgt von Hanna Oeberg und Olsbu Roeiseland. Insgesamt elf Athletinnen blieben hier fehlerfrei und gingen innerhalb von 15 Sekunden zurück auf die Strecke. Von den Favoritinnen zeigte Dorothea Wierer die größten Nerven und lag nach zwei Strafrunden bereits 55 Sekunden zurück.

Eckhoff in Front

In der zweiten Laufrunde gaben Eckhoff und Olsbu Roeiseland das Tempo vor. Die beiden Führenden gingen das zweite Liegenschießen ob des starken Windes langsam an, blieben dabei allerdings fehlerfrei und behaupteten 22 Sekunden Vorsprung auf Simon, die sich einen Fehler leistete. Vanessa Hinz auf Position fünf (+43 Sekunden) war zu diesem Zeitpunkt die Einzige, die neben den beiden Norwegerinnen zehn von zehn Treffer landete. Nach einer Strafrunde im ersten Liegendanschlag blieb Elvira Oeberg diesmal fehlerfrei und kletterte von Rang 17 auf Position sieben.

Viele Strafrunden nach heftigen Böen

Als die Führenden zum ersten Stehendschießen des Tages zurück ins Stadion kamen, ließ der starke Wind den Schnee durch die Luft wirbeln. Die beiden Norwegerinnen warteten vor dem ersten Schuss lange – und beide ließen bei schwierigen Bedingungen zwei Scheiben stehen. Braisaz-Bouchet und Elvira Oeberg landeten jeweils fünf Treffer, sodass die Französin zeitgleich mit Olsbu Roeiseland auf die nächste Laufrunde ging. Elvira Oeberg folgte nur 5 Sekunden dahinter, zwei weitere Sekunden zurück lagen Davidova und Eckhoff. Braisaz-Bouchet erhöhte auf den ersten 1000 Metern gehörig die Schlagzahl und baute ihren Vorsprung auf die Norwegerin und die drei Verfolgerinnen, die dicht beieinander lagen, um mehrere Sekunden aus.

Olsbu Roeiseland schilderte die Verhältnisse vor dem dritten Schießen so: „Da war so viel Wind! Tiril und ich standen dicht an dicht beisammen. Ich hörte sie atmen und hörte mich atmen. Ich hoffte, dass es gleich besser würde, aber vergebens. Dann war ich etwas unschlüssig, was ich tun sollte, also habe ich geschossen. Am Ende waren es zwei Fehler, das war okay heute.“

Fünf schnelle Schuss

Mit 12 Sekunden Vorsprung kam Braisaz-Bouchet zum letzten Schießen, wo sie sehr schnell am Abzug war und nur eine Scheibe stehen ließ. Hinter ihr blieb keine Kontrahentin fehlerfrei, sodass der Französin die Goldmedaille kaum mehr zu nehmen war. Eckhoff und Olsbu Roeiseland handelten sich jeweils zwei Strafrunden ein und gingen 48 bzw. 50 Sekunden hinter der Führenden auf die Schlussrunde. Dahinter folgte Davidova (55 Sekunden zurück).

Mit der Flagge ins Ziel

Der Erfolg von Braisaz-Bouchet geriet auf der letzten Runde nicht mehr in Gefahr. Unterdessen setzte sich Eckhoff von Olsbu Roeiseland ab und sicherte sich Silber vor ihrer Landsfrau, die heute Bronze gewann. Die neue Olympiasiegerin strahlte bereits auf der Zielgeraden über beide Ohren. Nach einem kurzen Blick zurück nahm sie die französische Flagge entgegen und überquerte jubelnd die Ziellinie.

Eckhoff glücklich

Tiril Eckhoff erkämpfte sich nach durchwachsener Saison und einigen Rückschlägen in Peking wieder eine Medaille: „Ich bin sehr glücklich. Ich wusste, dass es ein hartes Rennen werden würde. Mit meinem Liegendanschlag bin ich sehr zufrieden. Die Bedingungen waren wirklich schwer. Ich wollte es nicht zu kompliziert machen, das ist mir gelungen. Ich habe mich gefreut, dass ich dann zusammen mit Marte auf der Strecke war. Bis zum Stehendanschlag hatten wir einen großen Vorsprung auf die anderen herausgelaufen. Dann standen wir da und haben uns fast in die Hosen gemacht. Das war schon spannend. Ich hatte schon befürchtet, dass das Gleiche wie in der Staffel passiert. Doch ich konnte den Schalter umlegen, habe eine Kniebeuge gemacht und versucht, das Gewicht auf die Fersen zu verlagern – das hat geholfen. Ich war froh, nur zwei Fehler zu schießen. Auf der Schlussrunde hatte ich Bammel vor Marte, weil sie so schnell ist. Dann habe ich gemerkt, dass ihre Kräfte etwas schwinden. Da konnte ich gut damit leben, allein in Richtung Ziel zu laufen.“

Bronze für Olsbu Roeiseland wie Gold

Die dreifache Goldmedaillengewinnerin Marte Olsbu Roeiseland war mit ihrem dritten Rang überglücklich: „Heute war ein wirklich schwieriges Rennen. Es war vielleicht nicht mein bester Wettkampf, aber ich habe gekämpft. Es hat Spaß gemacht, mit Tiril zu laufen. Wir waren das ganze Rennen zusammen unterwegs. Die Bedingungen beim Stehendschießen waren echt hart. Ich freue mich riesig über Bronze – für mich fühlt es sich an wie Gold.“

Fotos: IBU / Christian Manzoni

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