Benjamin Weger zwischen Karriere-Ende und Zukunftsplänen

Nachdem Trainingspläne, Olympiazyklen und die endlose Suche nach dem perfekten Zusammenspiel zwischen körperlicher und mentaler Stärke den Großteil seines Lebens prägten, hat Benjamin Weger das Gewehr an den berühmten Nagel gehangen. Konkrete Zukunftspläne hegt der Schweizer aktuell noch nicht. Vielmehr genießt er seine neue Freiheit in vollen Zügen. Der Gedanke ans Karriere-Ende keimte beim besten Schweizer Biathleten der vergangenen zehn Jahre auf, nachdem er nach acht langen Jahren des Wartens wieder eine Podestplatzierung erreichte. Er hatte das Gefühl, seine Ziele erreicht zu haben und einen neuen Weg gehen zu müssen. Im Gespräch mit uns spricht er über seine Vergangenheit, die Gegenwart und seine Pläne für die Zukunft.

Im Moment renoviere ich zusammen mit meinem Vater ein altes Bauernhaus“, so Weger nicht ohne Stolz. „Wir verwandeln es in ein Wohnhaus. Es ist schön, ein gemeinsames Projekt mit meinem Vater zu stemmen und handwerklich tätig zu sein. Das hält mich ein bisschen fit.

Wir wollten von ihm wissen, ob es eine große Umstellung war, die bisherige Trainingsintensität und Grundlagenausdauer herunterzufahren.

Es ist ein gänzlich anderes Leben. Ich trainiere tagsüber zwar nicht, bin abends aber trotzdem müde. Doch ich sehe, wie ich etwas mit meinen eigenen Händen schaffe. Das ist wahrscheinlich der größte Unterschied zum Biathlon. Da bist du zwar den ganzen Sommer über matt, siehst die Ergebnisse aber erst im Winter!“

Benjamin Weger spürt den Kontrast zwischen seiner langen Laufbahn als Athlet und seinem neuen handwerklichen Leben deutlich. Auf seine Zeit als Leistungssportler blickt er mit leicht gemischten Gefühlen zurück:

Wenn du im Biathlon im Mai mit der Saisonvorbereitung beginnst, ist alles so weit weg. Du siehst die Früchte deiner Arbeit erst nach einer langen Zeit. Nicht, dass man mich falsch versteht: Ich habe es wirklich genossen und es war einfach perfekt, 15 oder noch mehr Jahre dieses wunderbare Leben zu führen. Nun aber war es an der Zeit für mich, neue Wege einzuschlagen. Es ist schön, morgens mit dem Gefühl aufzuwachen, heute nicht trainieren oder dies und das tun zu müssen. Es ist einfach toll, so frei zu sein und das Leben ein bisschen zu genießen.“

Sein bisheriges Leben als Leistungssportler hinter sich zu lassen, war kein einfacher Schritt. Doch für Weger, der in seiner Karriere fünfmal auf dem Podium stand, kam der Entschluss wohl überlegt.

Die Entscheidung ist nicht von heute auf morgen gefallen. Ich bin jetzt nicht eines Tages aufgewacht und dachte: ‚Oh nein, jetzt ist es an der Zeit aufzuhören.‘ Vielmehr ist der Entschluss über einen längeren Zeitraum in mir gereift. Ich weiß noch, dass ich erstmals bei der WM 2020 in Antholz ans Aufhören dachte. Damals hatte ich einen schlechten Winter. Gleichzeitig spürte ich aber, dass ich für den Schritt noch nicht bereit war. Also habe ich die Saison vorzeitig beendet und mir eine etwas längere Pause gegönnt. Als ich wieder ins Training eingestiegen bin, fühlte es sich gut an. Im darauffolgenden Winter waren die Ergebnisse ziemlich gut und ich habe es nach acht Jahren wieder aufs Podium geschafft.“

Das war im Januar 2021 beim Massenstart in Oberhof. Weger lieferte mit 20 Treffern ein perfektes Schießen ab und wurde fantastischer Dritter.

Irgendwie hat sich für mich damals der Kreis geschlossen. Das war genau das Ergebnis, auf das ich acht oder neun Jahre hingearbeitet hatte. Ich hatte das Gefühl, es reicht. Also habe ich beschlossen, dass der folgende Winter mein letzter werden würde. Mit dieser Gewissheit im Kopf bin ich dann in die Vorbereitung im Sommer gegangen.

Dem Schweizer ist allerdings auch bewusst, dass er sich früher oder später Gedanken über seine Zukunft machen muss. „Durch den Biathlon bin ich nicht unbedingt reich geworden“, scherzt er im Interview. Aber nach unzähligen Jahren, in denen sich sein Leben fast ausschließlich nach Plänen und Vorgaben richtete, genießt er es nun, eine Zeit lang frei zu sein. Ob er in Zukunft mit dem Biathlon in Verbindung bleiben wird?

Ich habe noch keinen Plan. Zunächst bauen wir das Haus fertig, das schaffen wir hoffentlich bis Anbruch des Winters. Vielleicht mache ich danach die Ausbildung zum Trainer. Ich weiß, dass ich das irgendwann machen möchte, nur über den Zeitpunkt bin ich mir noch nicht ganz im Klaren. Zunächst möchte ich den Hausbau abschließen und dann etwas herumreisen. Danach beginnt dann der etwas ernstere Teil des Lebens, aber jetzt noch nicht.“

Ich würde gern im Biathlon oder überhaupt im Sport bleiben. Der Trainerschein ist eine Option, aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Auf jeden Fall werde ich dem Biathlon verbunden bleiben. Und dann ist da auch noch das Angeln, meine zweite große Leidenschaft.

Benjamin Weger hat durch seine Erfolge ohne Zweifel dazu beigetragen, die Schweiz fest auf der Biathlon-Landkarte zu verankern. Nun freut er sich darauf, dass Lenzerheide 2023 erstmals Austragungsort eines BMW IBU-Weltcups sein wird und zwei Jahre später sogar die IBU-Weltmeisterschaften ausrichten darf. Er lässt sich jedoch nicht unter Druck setzen, bis dahin seine Trainerausbildung abgeschlossen zu haben, um vor heimischem Publikum als Coach dabei zu sein.

Ich denke, dass wäre noch zu früh. Wenn ich Trainer werden sollte, dann werde ich am Anfang mit Kindern arbeiten, vielleicht in einer Sportschule. Ich will nicht heute aufhören und morgen plötzlich Trainer meiner bisherigen Teamkameraden sein. Da weiß ich vielleicht schon alles über sie und bin plötzlich ihr Chef ... Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist. Wenn, dann will ich von klein auf beginnen und mich im Laufe der Jahre nach oben arbeiten.

Aber wir werden uns sicher an der einen oder anderen Strecke sehen, wahrscheinlich auch in Lenzerheide. Fürs Erste werde ich dort aber nur als Fan sein.

Wir freuen uns schon jetzt darauf, Benjamin Weger in der Arena wiederzusehen, die er indirekt zu einem wichtigen Zentrum unseres Sports gemacht hat.

Photo: IBU Pool Photographers

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