Wickers Karriere im Para-Biathlon begann mit einem Paukenschlag. Bei ihren ersten Paralympischen Winterspielen 2014 gewann sie Gold. Es war ein Traumstart auf der internationalen Bühne für die junge Para-Sportlerin, die noch neu im Profi-Sport war. Manch eine Athletin hätte mit diesem frühen Erfolg wohl gehadert, doch für Wicker war es der Beginn einer sportlichen Laufbahn, in der sie ein Jahrzehnt später immer noch glänzt.
„Die Medaille hat mir gezeigt, dass ich das draufhatte,“ erinnert sie sich. „Vorher war ich mir nicht sicher ob ich mit den Besten mithalten kann. Der Sieg gab mir die Motivation weiterzumachen und nach mehr zu streben.“
Dieser Durchbruch legte den Grundstein für eine Karriere, die von großer Konstanz geprägt ist. Wicker ist seither eine feste Größe auf dem Weltcup-Podest, erweitert Jahr um Jahr ihre Medaillensammlung und beweist, dass Beständigkeit oft genauso wertvoll ist wie Tempo oder Kraft.
Der Winter 2024/25 zementierte ihren Platz an der Spitze des Sports. Wicker verpasste in keinem einzigen Rennen das Podest, holte drei Medaillen bei den Weltmeisterschaften in Pokljuka und sicherte sich die Kristallkugel in der sitzenden Klasse – für sie schon der fünfte Gesamtsieg im Weltcup.
„Mein Ziel war, eine gute Saison abzuliefern und bei den Weltmeisterschaften Medaillen zu gewinnen“, sagt sie. „Aber es bei jeden einzelnen Rennen aufs Podest zu schaffen – das ist einfach der Wahnsinn. Die Kristallkugel ist der Beweis dafür, wie hart ich gearbeitet habe und dass ich über die gesamte Saison hinweg die Beste war.“
Das Feld der Frauen sitzend mag klein sein, und Wicker spricht offen über die Herausforderungen, die das mit sich bringt. „Natürlich ist das nicht ideal. Ich mag große Startfelder – mit mehr Starterinnen sind die Rennen spannender, auch für die Zuschauer. Aber Para-Biathlon ist anspruchsvoll und es war schon immer schwierig, neue Athletinnen für unsere Klasse zu finden. Es dauert Jahre, bis man das Wettkampfniveau erreicht“, erklärt sie.
Trotz der kleinen Startfelder ist das sportliche Niveau bemerkenswert hoch, dank Rivalinnen wie Kendall Gretsch, dem starken chinesischen Team und Yunji Kim, dem vielversprechenden Nachwuchstalent aus Südkorea. Eine mögliche Rückkehr von Oksana Masters dürfte die Latte noch höher legen. Wicker freut sich auf die Herausforderung: „Nächstes Jahr haben wir ein unglaublich starkes Feld, das ist spannend. Ich freue mich darauf, mich bei den Spielen in Milano Corina mit den Besten zu messen.“
Laut Wickers Rivalinnen ist sie die Athletin mit den konstantesten Leistungen im Feld. Auch sie selbst sieht ihre Beständigkeit als ihr Markenzeichen. „Meine Leistungen sind schon immer sehr konstant gewesen. Es gibt Höhen und Tiefen, aber ich habe es geschafft, mein hohes Niveau sowohl auf der Strecke als auch am Schießstand zu halten. Das ist die Grundlage für meinen Erfolg.“
Ein weiterer Baustein für Wickers langjährigen Erfolg sind die Strukturen im deutschen Profi-Para-Biathlon. Regelmäßige Berichterstattung im Fernsehen und solide Unterstützung durch den Verband ermöglichen es Athletinnen und Athleten, rund ums Jahr mit professionellen Trainern zu trainieren. „Wir stehen im Vergleich zu anderen Nationen gut da,“ erklärt sie. „Finanziert werden wir größtenteils vom Verband, der möglicherweise mehr Ressourcen hat als andere. Wir haben auch keine Nachwuchssorgen, weil wir viele junge Athletinnen und Athleten haben. Die aktuelle Generation ist stark, und von unten rücken jüngere Athletinnen nach, also sieht die Zukunft für Deutschland recht vielversprechend aus.“
Neben dem Sport, so Wicker, sei sie einfach jemand, der die gleichen Dinge mag wie vielen andere auch: Zeit mit Familie und Freunden, Reisen, Bücher und Entspannung. Ihre persönliche Webseite, die sie mit der Unterstützung ihres Vaters betreibt, hält Fans und Förderer während der Saison auf dem Laufenden. „So kann ich mit den Leuten in Kontakt bleiben, die mitverfolgen wollen, wie es für mich läuft,“ sagt sie.
Wickers Karriere ist wie die vieler anderer Athletinnen geprägt vom paralympischen Zyklus, und so hat sie vorerst Milano Cortina 2026 im Blick. Vom Aufhören ist allerdings keine Rede.
„Es macht mir heute immer noch genauso viel Spaß wie am ersten Tag. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Cortina mein Karriereende wird. Ich denke, ich mache mindestens noch ein paar Jahre weiter.“
Fotos: Krystek|IBU, Kacin|IBU