Ein Tag im Leben von… Selina Gasparin

Das Leben eines Athleten ist von Routine bestimmt: Unterschiedliche und sich abwechselnde Trainingseinheiten bestimmen die Sommermonate, bis erneut Schnee vom Himmel fällt und es wieder an der Zeit ist, sich die Skier anzuschnallen. Doch in diesem Jahr bot jeder Tag für Selina Gasparin eine Überraschung. Die Geburt ihres zweiten Kindes rückt näher und jeden Morgen scheint sich ihr Körper ein wenig verändert zu haben. Allerdings denkt die 34-jährige schweizerische Athletin gar nicht daran, ihr Training einzustellen. Als wir für diese Interview besuchten, war sie gerade erst aus einem Trainingslager mit dem Rest des schweizerischen Teams in Antholz zurückgekehrt.

Ich habe drei schöne Trainingstage mit meiner Mannschaft in Antholz verbracht. In diesem Sommer trainiere ich hauptsächlich zu Hause in Lenzerheide. Vor zwei Jahren bin ich aufgrund der tollen Bedingungen hierher gezogen. Das Trainingslager war eine Ausnahme, aber es war schön, meine Teamkollegen wiederzusehen und am Schießstand von Antholz zu trainieren. Es ist eine meiner Lieblingsorte und ich hoffe, dass ich genau dort im Januar nächsten Jahres mein Comeback feiern kann. Natürlich nur, wenn mit der Schwangerschaft alles glatt verläuft!

Ich habe hauptsächlich Schießen trainiert – Stehendschießen natürlich. Zu Beginn der Schwangerschaft habe ich auch noch Liegendschießeinlage absolviert. Dazu machte ich Löcher in dicke Matten, um meinen Bauch nicht zu drücken. Aber jetzt ist mein Bauch eindeutig zu groß dafür, also schieße ich nur stehend. Das ist mir ohnehin immer schwer gefallen, also kann ich die Übung gut gebrauchen! Ich fahre auch noch Rollerski. Im Tal habe ich einige Runden im klassischen Stil gedreht und bin dann noch nach Kronplatz gewandert, habe das traumhafte italienische Wetter genossen und Eis gegessen. Es waren wirklich schöne und lohnenswerte drei Tage.

Morgentraining mit Ehemann

Ein typischer Tag zu Hause verläuft anders als im Trainingslager. Ich stehe um 7 Uhr auf und frühstücke zusammen mit meinem Ehemann Ilia Chernusov und unserer Tochter Leila. Gegen 8/8:30 Uhr gehen mein Mann und ich zum Training: Wir absolvieren meistens das gleiche Pensum und trainieren oft zusammen. Aber ich bin zu langsam – selbst auf meinen schnellsten Rollerskiern hänge ich immer hinterher! Doch wir trainieren am gleichen Ort, also geht das in Ordnung. Natürlich hat sich mein Trainingsplan in der Schwangerschaft verändert. Ich kann nur noch das halbe Programm absolvieren und ich muss aufpassen, welche Übungen ich wähle: Ich verzichte zum Beispiel und Intensiveinheiten, Krafttraining, Sprünge und Sprints. Ich kann also eigentlich nur an meiner Ausdauer arbeiten, doch aufgrund meines Gewichts und der bergauf führenden Strecken kann mein Puls auch auf 160 bpm hinaufgehen, also ist es doch eine leichte Intensiveinheit bei geringer Geschwindigkeit. So werden ich und mein Baby nicht allzu sehr belastet. Manchmal wandere ich auch stattdessen. Das gefällt mich sehr gut, denn wir leben an einem wunderschönen Ort, umgeben von atemberaubenden Bergen. Für einen Athleten ist das der perfekte Spielplatz! Beim Wandern kann ich die Intensität der Trainingseinheit sehr gut selbst kontrollieren: Ich kann langsamer werden und meine Geschwindigkeit selbst wählen. Daher ist es zurzeit meine Lieblingsübung. Ich liebe auch Rollerskifahren im klassischen Stil auf der Straße und den Bergpässen. Wir haben hier viele gut ausgebaute Straßen. Ich habe also viele Auswahlmöglichkeiten!

Nachmittag mit Leila: Garten, Schießen und… Eis essen!

Die Stunden, die ich morgens beim Training bin, beeinflussen meinen Nachmittag: Wenn ich zwei Stunden am Morgen trainiere, nehme ich mir am Nachmittag frei. Ein gutes Mittagessen ist wichtig und wenn mein Mann und ich vom Morgentraining zurückkommen, essen wir zusammen mit Leila und dem Kindermädchen, die sie während der Trainingsstunden betreut. Danach machen wir meistens Mittagschlaf: Wir haben Glück, dass unsere Tochter am Nachmittag schläft, denn mein Mann und ich sind nach dem Mittagessen meistens ziemlich ausgelaugt!

Nach der kleinen Ruhepause wachen wir voller Energie und Motivation für den Rest des Tages auf. Das Gute an meiner Schwangerschaft ist, dass ich am Nachmittag mehr Zeit mit Leila verbringen kann. Wir fahren Fahrrad oder gehen auf den Spielplatz. Wir spielen auch zu Hause oder malen zusammen… Eben all die normalen Dinge, die eine Dreieinhalbjährige gern macht! Danach lege ich eine Schießeinheit ein. Das ist kein großer Aufwand, denn ich wohne nur 2 Minuten vom Schießstand entfernt.

„Ich liebe Eis und an diesen heißen Sommertagen gehört eine Portion am Nachmittag einfach dazu… Eines Tages möchte ich ein Eiscafé eröffnen und ich weiß schon jetzt genau wie mein Eis schmecken muss!“

Aber das ist nicht alles. Ich baue auch Gemüse an und alle helfen bei der Gartenarbeit mit, um sicherzustellen, dass wir leckeren Salat, Äpfel und Beeren ernten können… Aber am liebsten essen wir das Gemüse und Obst, dass wir ernten!

Gutenachtgeschichten am Abend

Wenn es Zeit zum Abendessen ist, decken wir draußen ein und genießen das wunderbare Sommerwetter. Dann verbringe ich noch mehr Zeit mit meiner Tochter: Ich lese ihr Geschichten vor oder denke mir selbst welche aus. Das ist ein tägliches Abendritual. Das machen wir so lange, bis wir einschlafen – ich meistens noch vor ihr. Es ist eine schöne Art, den Tag zu beenden und Energie für den kommenden Morgen zu tanken.

Selina Gasparins Tagesablauf zeigt, dass ein Athlet immer ein Athlet bleibt und dass eine Schwangerschaft und das Muttersein sich gut in dieses Leben integrieren lassen, wenn man es nur möchte. Die Biathlonfamilie wünscht ihr alles Gute für die kommenden Wochen und für die baldige Geburt ihres zweiten Kindes.

Pictures courtesy of Selina Gasparin

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